Was aber bleibt, stiften die Dichter

zum 100. Geburtstag von Gustav Hackemack

von Heinrich Diestelmeier (1972)

Gustav Hackemack

Nur noch vereinzelt können wir in unserer Gemeinde einem Menschen begegnen, der sich mit seinem Gegenüber auf Plattdeutsch unterhält. Ob es innerhalb der Grenzen der Braker Kirchengemeinde noch 100 Menschen gibt, die das Lippische Platt nicht nurver stehen, sondern auch noch als ihre tägliche Umgangssprache sprechen?- Ich vermute, so viele sind es schon gar nicht mehr. Wir werden damit rechnen müssen, daß die niederdeutsche Mundart, wie sie vor 50 Jahren in den Lippischen Landgemeinden noch zum guten Ton gehörte, in spätestens zwei Jahrzehnten von niemandem mehr in Brake gesprochen noch verstanden wird. Eine sterbende Sprache also, der wir mit diesem Artikel einen kleinen Nachruf widmen möchten? So scheint es, wenn wir von der Tatsache ausgehen, daß eine Sprache lebt, solange wir uns ihrer im täglichen Umgang als Form der Mitteilung bedienen. Wir mögen es bedauern, daß das Lipps'ke Platt praktisch der Vergangenheit angehört; niemand kann das Wachstum einer Sprache aufhalten. Im Zeitalter der Technik wirkt das Plattdeutsch unserer Großväter einfach kurios.

Diese von vielen als schmerzlich empfundene Tatsache soll uns nicht daran hindern, der Menschen zu gedenken, die dem der plattdeutschen Sprache innewohnenden Geist in der Gestalt der Verdichtung ein Denkmal gesetzt haben. Gustav Hackemack gehört zu den Begnadeten, die über ihre Zeit hinaus im Gedicht etwas Bleibendes gestiftet haben. Im März jährt sich zum 100. mal der Geburtstag dieses sprachbegabten feinsinnigen Mannes, geboren am 7. 3. 1872 in Bentorf, bei Hohenhausen. Seit seinem 10. Lebensjahr wohnte Hackemack mit seinen Eltern und seiner Schwester Lina in Brake. Hier hatte der Vater in der Mittelstraße ein Geschäft.

Nach seinem Abitur am Gymnasium in Lemgo studierte Hackemack in Marburg Theologie und später Philologie. Eine nicht glücklich verlaufende Lovestory soll, wie sich die Leute in Brake erzählen die Lebensgeschichte des sensiblen Braker Studenten entscheidend verändert haben. Er hing seinen Talar und später auch seinen Lehrerberuf an den Haken und blieb zeit seines Lebens das, was man einen freischaffenden Künstler nennen könnte,der von sich als Achtzigjähriger einmal bekannte: "Ich habe mit dem Leben gespielt, bis das Leben mit mir spielte...". Wohl mehr der Not gehorchend als dem eigenem Triebe, entdeckte er seine dichterische Begabung. Unter dem Pseudonym "Hanken Jüsken" erschienen in den zwanziger Jahren die ersten Gedichte in der "Lippischen Post", später in zwei bei F.L. Wagner, Lemgo herausgegebenen Gedichtbändchen.

Plattdeutsche Gedichte wollen laut gelesen sein. Der Chronist schätzt sich glücklich, eben noch zur rechten Zeit eine Tonbandaufzeichnung mit Hanken Jüsken gemacht zu haben; denn keiner konnte seine Gedichte besser interpretieren als der Dichter selbst! Am 4. Februar 1958 starb Gustav Hackemack "des Treibens müde". Unter großer Anteilnahme der Braker Bevölkerung und der Freunde der plattdeutschen Sprache in Lippe wurde der Dichter auf dem Friedhof an der Detmolder Straße zu Grabe getragen. Die Straßenzeichnung "Hanken-Jüsken-Straße" auf dem Eikermannsberg möchte an den berühmten Sohn Brakes erinnern.