Die Kirche zu Brake

Baugeschichte der ev.-ref. Kirche zu Brake in Lippe

Lemgo-Brake 1987


Inhaltsverzeichnis


Zum Geleit

"Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt. "

Über dieses Bekenntnis aus dem 8. Vers des 26. Psalmes predigte in dem Festgottesdienst nach Abschluß der letzten Renovierung der Braker Kirche am 25..Juni 1978 der damalige Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche Dr. Fritz Viering.

Die Baugeschichte der Braker Kirche mit den Erweiterungen und Renovierungen hätte nicht geschrieben werden können, wenn nicht immer wieder Menschen in Brake ihre Kirche lieb gehabt hätten, Kraft, Zeit und Geld investiert hätten, um die Kirche zu erhalten und zu erweitern. Sie haben dies wohl getan, weil für sie die Kirche das Haus war, in dem durch alle Zeiten hindurch Gott gelobt, ihm für mannigfache Bewahrung gedankt, seine Hilfe erbeten, seine Gegenwart gefeiert und auf sein Wort gehört wurde.So wurde in den rund 800 Jahren für viele die Kirche in Brake zu dem Haus Gottes, zu dem Ort, in dem man die Nähe des Herrn aller Herren erfahren hatte.

Von der Liebe zur Kirche zeugt auch diese vorliegende Baugeschichte, für die wir dem Verfasser, Herrn Andreas Mikolasek, sehr herzlich danken.Wir wünschen uns, daß dieses Buch bei vielen die Liebe zu unserer Braker Kirche entfacht oder neu weckt, hoffen, daß viele dieses Gotteshaus in Brake nicht nur schön finden und als interessantes Bauwerk achten und beachten, sondern daß diese Baugeschichte viele neugierig macht auf den Gott, der hier in seinem Wort und in seinen Sakramenten zu uns redet. Von dem Tempel in Jerusalem bekennt der Psalmist, daß in ihm die Ehre Gottes, die Herrlichkeit Gottes wohnt.Gemeint ist damit wohl auch, daß dort, wo die Taten Gottes erzählt und gerühmt werden, seine Herrlichkeit aufleuchtet und die Hörer Kraft und Trost empfangen und ihr Leben sich durch den Geist Gottes erneuert. Das möchten wir gerne, daß auch in der Braker Kirche es immer wieder neu bezeugt wird, daß Gott sich an uns Menschen zu Tode geliebt hat, daß er uns unsere Welt als seine gute Schöpfung anvertraut hat und daß er uns seine Hilfe verheißt. Möge diese Baugeschichte dazu beitragen, daß Gott gelobt wird bis zum Ende aller unserer Tage.

Für den Kirchenvorstand der ev.-ref.Kirchengemeinde Brake i. L. die Pfarrer
Karl August Ewerbeck und Rudolf Hille


Vorwort

Als in den Jahren 1977/78 die Braker Kirche einer gründlichen Restaurierung unterzogen wurde, bot sich die seltene Gelegenheit, an gewöhnlich unzugänglichen Stellen Hinweise zur Geschichte des Gebäudes zu erlangen.So trat im Zuge der Bauarbeiten allerhand Verborgenes zu Tage, das von der bewegten Vergangenheit der Kirche zeugte und Rückschlüsse auf Baumaßnahmen früherer Jahrhunderte erlaubte.Auf manche der bis dahin ungeklärten Fragen konnte aufgrund unserer Untersuchungen eine zufriedenstellende Antwort gefunden werden, zugleich mußten aber auch einige gängige Ansichten korrigiert werden.

Herr Pastor Heinrich Diestelmeier, zu jener Zeit noch Pfarrer in Brake, regte damals als erster die schriftliche Abfassung einer Baugeschichte der Kirche an.Seither setzte er sich intensiv für ihr Zustandekommen ein und stand mir dabei in jeder Beziehung hilfreich zur Seite. Ihm an dieser Stelle für seinen persönlichen Einsatz zu danken, ist mir daher ein besonderes Anliegen. Maßgeblich beteiligt an der inhaltlichen Darstellung der Baugeschichte ist vor allem Herr Friedrich Diestelmeier, Frankfurt. Durch das große Interesse, mit dem er der Geschichte der Kirche nachgegangen ist, entstand eine fruchtbare Zusammenarbeit, die viele der hier wiedergegebenen Ergebnisse hervorbrachte. Zudem stammen die meisten der abgedruckten Grundrisse und Tuschezeichnungen aus seiner Hand.

Die vorliegende Baugeschichte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll auch nicht als wissenschaftliches Werk angesehen werden. Sie ist vielmehr zu verstehen als eine Arbeit, die aus reiner Freude an der Sache entstanden ist und die versucht, die wechselvolle Entwicklung der Braker Kirche ihren Besuchern näherzubringen.

Lemgo-Brake, im Juli 1987
Andreas Mikolasek


Einleitung

Vor den Toren der Stadt Lemgo liegt im Südosten das Kirchdorf Brake. Für eilige Besucher hat der Ort zunächst nicht viel Sehenswertes zu bieten. Hauptattraktion ist vor allem das am Ortsrand gelegene Schloß aus der Zeit der Weserrenaissance, das um 1590 unter dem lippischen Grafen Simon Vl. auf den Mauern einer mittelalterlichen Burg errichtet wurde. Umgeben von den Bauten des ehemaligen Wirtschaftshofes bietet es ein reizvolles Ausflugsziel für den historisch Interessierten.

Im Dorf selbst konnten sich neben der Kirche nur einige wenige Fachwerkhäuser aus vergangenen Jahrhunderten in unsere Zeit hinüberretten. Besonders seit dem letzten Krieg ist hier viel historische Bausubstanz verlorengegangen, wodurch sich Brake leider immer mehr zu einem Ort entwickelt hat, in dem vom individuellen Charakter kaum noch etwas zu spüren ist. Interessant wird Brake erst für denjenigen, der sich näher mit der Geschichte des Dorfes befaßt.

Bei seinen Forschungen wird er feststellen, daß der Ort ehemals gar nicht so unbedeutend war, wie das heutige Erscheinungsbild vermuten läßt. So gab es Zeiten, in denen der Name Brakes weit über Lippes Grenzen hinaus bekannt war. Die nahegelegene Burg verhalf dem Dorf namentlich im 17. Jahrhundert zu beachtlichem Wohlstand.

Läßt sich für die neuzeitliche Vergangenheit Brakes noch ein recht genaues Bild erstellen, so trifft man bei der Erforschung der mittelalterlichen Geschichte schon auf erhebliche Schwierigkeiten. Die wenigen erhaltenen Urkunden, von denen die ältesten aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts stammen, lassen den Schluß zu, daß Brake zu dieser Zeit nur eine kleine bäuerliche Ansiedlung war, die lediglich fünf Höfe umfaßte: Die beiden Höfe Nr. 1 und Nr. 2, den Oberen Hof und den Niederen Hof, die als die Meierhöfe der Burg anzusehen sind und den zur Kirche gehörenden Wemhof. Wann allerdings Brake entstanden ist, darüber gibt uns kein schriftliches Zeugnis Auskunft.

Dennoch gibt es Hinweise, die für eine recht frühe Besiedlung des Braker Gebietes sprechen. Bei Ausschachtungsarbeiten wurden unter den Mauern des Braker Schlosses die Fundamente einer bedeutenden mittelalterlichen Burganlage freigelegt, die vermutlich schon im 12.Jahrhundert bestanden hat. Nun setzt aber eine Burganlage bereits bestehende Ansiedlungen in der näheren Umgebung voraus. Zum einen benötigte der Burgherr leibeigene Bauern, die ihm landwirtschaftliche Erträge sichern konnten, zum andern bot eine nahegelegene Burg den Bewohnern der Dörfer den besten Schutz in Kriegszeiten. So ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß der Ursprung Brakes bereits in das 12. Jahrhundert zurückreicht.

Die einigermaßen gesicherte Geschichte des Dorfes beginnt aber erst mit der Datierung des ältesten Gebäudes Brakes - der Kirche.

Höhenschnitt durch die Braker Kirche


Die Mittelalterliche Geschichte

Die Kirche bildete den geographischen Mittelpunkt der ersten kleinen Ansiedlung. Um den Kirchplatz mit dem Friedhof, der mit einer hohen Mauer umgeben ist, finden sich die ältesten Höfe des Ortes. Entsprechend der anfangs nur geringen Einwohnerzahl des Dorfes war auch die Kirche in ihrem Urzustand ein relativ kleiner Bau. Erst als im Laufe der Jahrhunderte die Gemeinde ständig anwuchs, veränderte auch die Kirche nach und nach ihr Gesicht, so daß ihre heutige Gestalt das Resultat einer jahrhundertelangen Entwicklung darstellt. Für eine Baugeschichte besteht nun die vordringliche Aufgabe darin, die Struktur der ursprünglichen Anlage zu rekonstruieren und zeitlich einzuordnen. Da uns über die Gründung der Kirche keinerlei Urkunden überliefert sind, besteht vorerst nur die Möglichkeit, den Baukörper selbst zu untersuchen und anhand von Bau und Zierformen Rückschlüsse auf die Entstehungszeit zu ziehen. Der symmetrische Aufbau des dreischiffigen Bauwerks kann auf den ersten Blick leicht zu der Annahme verleiten, die ganze Anlage sei in einem Stück geplant und errichtet worden. Wie an späterer Stelle noch erläutert wird, sind jedoch die Anbauten des Nord- und Südschiffes sowie des Chorraumes mit seinen Apsiden neuzeitlichen Bauperloden zuzuschreiben. Für eine Altersbestimmung können somit nur das Mittelschiff und der Turm herangezogen werden. Auf diese beiden Bauteile reduziert, ergibt sich als Ausgangssituation das Bild einer einschiffigen Kirche mit einem annähernd quadratischen Turm im Westen und dem daran in gleicher Breite anschließenden Kirchenschiff.

Dass diese beiden, heute noch im Kern erhaltenen Bauteile als Einheit konzipiert und ausgeführt wurden und somit derselben Bauperiode angehören, soll im folgenden näher belegt werden.


Die Grundverfahren der Konstruktion

Wir gehen dabei zunächst vom Grundriß des Gebäudes aus und werden versuchen, das Konstruktionsmuster der Kirche zu entschlüsseln. Dazu sind vorab einige Erläuterungen zu den wichtigsten Verfahren notwendig, nach denen die Abmessungen eines Gebäudes ermittelt werden konnten. Ein Baumeister, der in früheren Zeiten ein Gebäude zu errichten hatte, ging nicht, wie heute, von einem völlig frei gestalteten Entwurf aus. Bei seiner Planung hatte er sich vielmehr an gewisse Grundregeln zu halten, die für die Gestaltung eines Baues seit Generationen verwandt wurden und durch die harmonischen Maßverhältnisse an den Bauwerken garantiert werden konnten. Viele dieser Maßregeln sind heute in Vergessenheit geraten und werden kaum noch angewandt. Am bekanntesten ist sicherlich die Regel des "Goldenen Schnitts", die bereits im antiken Griechenland bekannt war. Vor allem seit dem Beginn der Neuzeit war der Goldene Schnitt der bedeutendste Grundsatz der Architektur, und insbesondere bei den Bauten der Barockzeit ist er häufig anzutreffen. Zurückzuführen ist er auf die Streckenverhältnisse von Grundseiten zu Diagonalen im regelmäßigen Fünfeck. Dieser Figur wurden namentlich im Mittelalter unheilvolle Kräfte nachgesagt. Noch in Goethes "Faust" begegnen wir dem Fünfeck als Drudenfuß oder Pentagramm, das, in jenem Falle unvollständig gezeichnet, die Fähigkeit besitzt, den Teufel zu bannen. In dieser magischen Bedeutung, sowie in der Schwierigkeit, ein Fünfeck überhaupt zeichnerisch zu konstruieren, ist zweifellos der Hauptgrund zu sehen, warum der Goldene Schnitt an Gebäuden des Mittelalters nur in den seltensten Fällen nachzuweisen ist.

Galt die Zahl Fünf als die Zahl des Bösen, so offenbarte sich in der Zahl Drei die heilige Dreieinigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, wodurch die Drei zwangsläufig etwas Göttliches in sich bergen mußte. Noch heute gilt das Wort: "Aller guten Dinge sind drei." In der Zahl Vier erkannte man die Zahl der irdischen Schöpfung. Sie stand für die vier Himmelsrichtungen, die vier Jahreszeiten sowie für die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Die Summe aus Drei und Vier ergibt Sieben, die Zahl des Göttlichen Geistes, und das Produkt aus beiden ist die Zwölf, die Zahl der Vollkommenheit. Die Zahlen Drei und Vier hatten also eine außergewöhnliche symbolische Bedeutung. So ist es nicht verwunderlich, daß diese Zahlen selbst in die mittelalterliche Architektur Eingang gefunden haben und dort als Bemessungsgrundlage dienten. Man findet sie wieder in den Verfahren der Triangulatur, die sich auf die Maßverhältnisse des gleichseitigen Dreiecks stützt und der Quadratur, die entsprechend auf das Quadrat zurückzuführen ist. Triangulatur und Quadratur sind die zentralen geometrischen Hilfskonstruktionen, die fast jedem mittelalterlichen Bau zugrunde liegen. Mit Hilfe dieser beiden Grundverfahren konnten die mittelalterlichen Baumeister Maßverhältnisse an den Gebäuden schaffen, die ihnen jene imponierende Klarheit verleihen und dem heutigen Betrachter diese Bauten in ihrem Gesamtbild als so vollkommen erscheinen lassen. Bevor nun die Verfahrensweise genauer dargelegt wird, bedarf es noch kurz einer Bemerkung zu den gebräuchlichen Maßeinheiten. Gemäß dem Grundsatz: "Der Mensch ist das Maß aller Dinge", waren unter anderem die Teile des menschlichen Körpers eine Grundlage für das Maßsystem. Die Elle, die Spanne oder das Klafter sind derartige, auf die Länge von Gliedmaßen zurückzuführende Einheiten. In der Architektur aber war vor allem der "Fuß" als Längeneinheit die Basis für den Entwurf von Bauwerken. Das Fußmaß war nicht immer und überall das gleiche. Seine Länge konnte von Region zu Region variieren, und außerdem brachte fast jede geschichtliche Epoche ein anderes Fußmaß mit sich. Das Spektrum der Fußlängen reicht von ca. 28 cm bis hin zu 34 cm. So ist es bisweilen sogar möglich, eine bestimmte Fußlänge genau einem geschichtlichen Zeitabschnitt oder einer Bauhütte zuzuordnen.

Bei dem Grundriß eines Gebäudes ging der Baumeister nun folgendermaßen vor: Als erstes wurde die Breite des Bauwerkes im Gelände festgelegt und abgesteckt, um eine Bezugslinie für die daran anschließenden geometrischen Hilfskonstruktionen zu schaffen.

Für die Länge der Strecke verwendete man in der Regel eine durch zwei oder drei teilbare Anzahl von Maßeinheiten. (Die Gründe dafür haben vor allem religiösen Ursprung und brauchen hier nicht näher erläutert zu werden.) Mit Hilfe der so festgelegten Grundlinie ermittelte man dann die Länge des Gebäudes, und zwar üblicherweise durch einfache Aneinanderreihung von gleichzeitigen Dreiecken und/oder Quadraten. Selten findet ein Überschneiden der Figuren statt.

Dieses elementare Schema ist bereits bei einer ganzen Reihe von Bauwerken aus mittelalterlicher Zeit nachgewiesen. Allem Anschein nach hat es auch bei der Braker Kirche Anwendung gefunden.


Die Anwendung der Maßregeln

Grundriss des ursprüngliches Baus
und Konstruktionsmuster der Triangulatur

Wie aus dem Grundriß der Kirche ersichtlich ist, lassen sich in das Gebäude drei hintereinandergereihte Dreiecke einzeichnen, deren Seiten mit der Kirchenbreite übereinstimmen. Für den Grundriß bediente sich der Meister also offensichtlich der Triangulatur in ihrer einfachsten Form, durch die er ein ausgewogenes Verhältnis von Länge und Breite erzielte. Noch überzeugender läßt sich dieses Ergebnis rechnerisch belegen. Die Breite der Kirche beträgt 8,45 in. Errichtet man auf dieser Strecke in der beschriebenen Weise drei Dreiecke, so ergibt die Summe ihrer Höhen eine Länge von 21,95 in. Eine vor Ort durchgeführte Längenmessung erbrachte einen Wert von 22 in, was eine Differenz von nur 5 cm zum theoretischen Wert bedeutet. Diese erstaunlich genaue Übereinstimmung wird sicherlich nicht auf einem Zufall beruhen. Man darf wohl davon ausgehen, daß der Baumeister tatsächlich auf diese Weise den Grundriß der Kirche erstellte. Es wäre sogar im Gegenteil bemerkenswert, wenn nicht dieses oder ein ähnliches Schema anzuwenden wäre, denn es war ja ein bis zum Mittelalter allgemein übliches Verfahren. Für den Aufriß der Kirche wählte der Meister andere Maßregeln. Hier arbeitete er nicht mit geometrischen Figuren, sondern er verwendete ein einfaches Zahlenverhältnis zur Bestimmung der Schiffshöhe. Ausgangsbasis für die Bemessung war auch hierbei wieder die Kirchenbreite von, 8,45 m. Auf dieser Grundlinie wurde nun in einem Verhältnis von 4:3 die Höhe abgetragen, die sich dadurch zu 6,34 in ergibt. Dieser Punkt markiert die Oberkante der Außenmauern. Trägt man das Maß noch einmal nach oben hin ab, so gelangt man exakt zur Unterkante der am Turm befindlichen Schallöffnungen, hinter denen die Glockenstube liegt. Für den Charakter der Kirche hat die Lage der Schallöffnungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Vermutlich kennzeichnet dieser Punkt auch die ursprüngliche Höhe des Dachfirstes, so daß Dach- und Kirchenschiffshöhe im Verhältnis 1:1 zueinander standen. Über eine spätere Veränderung des Kirchendaches, durch das dieses klare Maßverhältnis gestört wurde, wird an anderer Stelle noch zu berichten sein.

Anwendung der Quadratur beim Aufriss

Für das Aufmaß des Innenraumes schließlich hat allem Anschein nach die Quadratur Anwendung gefunden. Natürlich konnte für das Innere der Kirche die äußere Gebäudebreite keine Bemessungsgrundlage mehr sein, da sie für die Raumwirkung nicht unmittelbar von Bedeutung war. Statt dessen war für die Konstruktion der Gewölbe die geringste lichte Breite maßgebend, d. h., der Abstand zwischen zwei gegenüberliegenden Pfeilern. Errichtet man auf dieser Grundlinie ein Quadrat, so erhält man die Höhe der gewölbetragenden Schildbögen. Die Höhe dieser für die gesamte Statik wichtigen Entlastungsbögen entspricht damit der Länge ihres Abstandes zueinander. Genau auf halber Höhe setzen die Kämpfergesimse an, die die Rundbögen optisch von den Pfeilern absetzen.

Ohne Zweifel waren die Gewölbe die am schwierigsten zu errichtenden Gebäudeteile, und deshalb kann es auch nicht verwundern, daß bei ihnen die Maße sichtlich von den zu erwartenden Werten abweichen. So gibt es bei der Höhe der Schildbogenscheitel Differenzen von bis zu 8 cm, was sicherlich nicht zuletzt auch auf mangelnde Erfahrung der Handwerker beim Gewölbebau zurückzuführen ist. Das Prinzip der Konstruktion die Anwendung der Quadratur - ist aber dennoch deutlich erkennbar.

Bei der vorliegenden Rekonstruktion der Bemessungen mußte berücksichtigt werden, daß das heutige Fußbodenniveau nicht das gleiche ist, das zur Zeit der Errichtung der Kirche vorgelegen hat. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Boden um ca. 50 cm abgetragen. Räumt man ein, daß durch das Anlegen von Grabstätten innerhalb der Kirche sowie durch umfangreiche Baumaßnahmen des 17.Jahrhunderts das Niveau möglicherweise bereits angehoben worden war, so kann man immer noch davon ausgehen, daß die heutige Grundfläche tiefer liegt, als es zur Bauzeit der Fall war. Diese Behauptung läßt sich auch dadurch belegen, daß das Gelände außerhalb der Kirche noch heute im Westen deutlich über dem Niveau des Kirchenfußbodens liegt. Noch in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts war ein entsprechender Höhenunterschied auch an der Südseite vorhanden. Diese Differenzen können bei dem ursprünglichen Kirchenbau noch nicht vorgelegen haben. Schon bei der Planierung des Bauplatzes mußte sich ja außen wie innen die gleiche Höhe ergeben, so daß man nicht etwa in die Kirche hinabsteigen mußte, sondern sie ebenerdig erreichbar war.

Für die Aufmaßrekonstruktion wurde eine Oberfläche angenommen, die ca. 15 cm über der heutigen gelegen hat. Dieser Wert dürfte auch aus einem anderen Grund gerechtfertigt sein. Die starken, kreuzförmigen Pfeiler in der Kirche ruhen auf gemauerten Sockeln, die bei einer Höhe von ca. 45 cm deutlich überproportioniert gegenüber den Ausmaßen der Pfeiler erscheinen. Dagegen würde eine Sockelhöhe von etwa 30 cm, die sich aus dem höheren Fußbodenniveau ergibt, sich optisch besser anpassen. Das Maß für die Sockelhöhe würde zudem in diesem Fall recht genau einem Fuß entsprechen.

Für die Errichtung der Kirche lassen sich somit drei verschiedene Bemessungsgrundlagen nachweisen: Die Triangulatur für den Grundriß, die Quadratur für die Gewölbekonstruktion und ein einfaches Zahlenverhältnis für den äußeren Aufriß. Eine solche Vielfalt von Verfahrensweisen an ein und demselben Bauwerk darf nicht weiter verwundern. Die Arbeit des Baumeisters sollte durch die vorgegebenen Maßregeln lediglich erleichtert werden. In seinem künstlerischen Schaffen aber sollten sie ihn nicht einengen. Sie sollten Hilfsmittel sein, nicht aber streng zu befolgendes Schema. So ist es letztlich auch zu verstehen, daß trotz Gleicher Arbeitsweise von verschiedenen Meistern Bauwerke von so unterschiedlichem Charakter erzielt wurden, denen aber dennoch eines gemeinsam ist - ihre einzigartige Harmonie und ihre klare, übersichtliche Gliederung.


Das Fußmaß

Als nächstes sei nun der Versuch unternommen, die Länge des verwendeten Fußes zu bestimmen. Es muß sich zu diesem Zweck ein Faktor finden lassen, der in zwei voneinander unabhängigen Gebäudeabmessungen steckt, die nicht geometrisch ermittelt worden sind. Im vorliegenden Fall wollen wir von der Breite des Gebäudes sowie von den Mauerstärken des Turmes und des Mittelschiffes ausgehen. Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die in der Kirchenbreite enthaltene Anzahl von Füßen muß einem für die Bauzeit vernünftigen runden Wert entsprechen. So verwendete man in karolingischer Zeit die Zahlen der Zwölfer- und der Zehnerreihe sowie die Zahl 25. In späteren Epochen waren Zahlen der Zweier- und der Dreierreihe in Gebrauch. Es hätte also keinen Sinn, nach Breiten von 11, 13,17 Fuß usw. zu suchen. Ähnliches gilt auch für die Mauerstärken. Sie bestehen in der Regel aus einer ganzzahligen Anzahl von Füßen, allenfalls sind noch halbe Fußmaße möglich.

Setzt man diese Bedingungen bei dem Aufmaß der Braker Kirche voraus, so zeigt sich schnell, daß es nur einen Wert für die Länge des angewandten Fußes gibt, der die oben genannten Kriterien erfüllt, und zwar eine Fußlänge von 28,16 cm. Bei diesem Wert nämlich erhält man für die Kirchenbreite von 8,45 in eine Strecke von genau 30 Fuß (30 x 28,16 cm = 8,45 in). Ein idealeres Maß läßt sich aufgrund der erwähnten Maßregeln für die Festlegung der Grundlinie wohl kaum denken. Auch für die Stärke der Mauern ergeben sich runde Werte. Die Turmmauer hat eine gemessene Dicke von 1,42 in, die Mauerstärke des Kirchenschiffes konnte auf ursprünglich 1,10 in ermittelt werden. Daraus errechnen sich Werte von 5 Fuß beim Turm (5 x 28,16 cm = 1,41 in) und 4 Fuß beim Schiff (4 x 28,16 cm = 1,12 in). Aus drei verschiedenen Gebäudeabmessungen ergibt sich damit die Länge des verwendeten Fußes zu etwa 28 cm. Der Wert darf daher als einigermaßen gesichert gelten und für die Datierung der Braker Kirche herangezogen werden. Was läßt sich nun anhand der bisher gewonnenen Erkenntnisse über das Alter der Kirche aussagen? Die besprochene Methode der Grundrißkonstruktion allein hilft uns hier nicht viel weiter. Derartige Verfahren wurden bereits in der Antike angewandt und lassen sich bis ins ausgehende Mittelalter hinein nachweisen. Somit kann die Verfahrensweise selbst nichts zur Eingrenzung der Bauzeit beitragen. Von entscheidender Bedeutung ist hingegen die Länge des verwendeten Fußes. Wie schon erwähnt, waren die Fußlängen im Laufe der Jahrhunderte ständig Schwankungen unterworfen. So waren bis zur Romanik Längen von 30 bis 34 cm üblich. Erst in der Spätromanik setzte sich, von Frankreich her kommend, ein stark verkürzter Fuß von ca. 28 cm durch. Alle späteren deutschen Fußmaße wurden hiervon abgeleitet. Geht man nun von der berechtigten Annahme aus, daß bei der Braker Kirche ein derart verkürzter Fuß benutzt wurde, so läßt das den Schluß zu, daß man die Entstehungszeit der Kirche frühestens auf die ausgehende Romanik wird festsetzen dürfen. Für das lippische Gebiet ist das in etwa die Zeit der Wende vom 12. zum 13.Jahrhundert. Damit wäre der früheste anzunehmende Zeitpunkt für die Errichtung der Kirche bestimmt, wie er sich aufgrund der Gebäudeabmessungen ermitteln läßt.


Aufschlußreiche Bauformen

Weitere Anhaltspunkte, durch die die Gründungszeit eingegrenzt werden kann, bieten stilistische Merkmale und Besonderheiten. Charakteristische Schmuckformen finden sich kaum. Großartige Portale, figürliche Darstellungen und Wandmalerelen sind nicht oder nicht mehr vorhanden. Äußerlich bietet nur der aus großen, unbehauenen Bruchsteinen mit Eckquaderung errichtete Turm einen Hinweis zur Altersbestimmung. An seiner Nord- und Südseite befinden sich unterhalb der Dachtraufe je zwei rundbogige Schallöffnungen, durch die der Klang der Glocken nach außen dringen kann. Diese Öffnungen besitzen als Zierelement eingestellte Säulen, die mit einem sogenannten Würfelkapitell bekrönt sind. Nun war das Würfelkapitell ein wichtiger Bestandteil romanischer Architektur bis ins12.Jahrhundert und wurde bis zum Ausgang der Romanik für untergeordnete Zwecke beibehalten. In Lippe findet sich dieses Merkmal der Spätromanik des öfteren, so etwa an den Kirchtürmen in Schlangen, Heiligenkirchen, Wöbbel und Elbrinxen. Gerade weil an der sonst schmucklosen Fassade der Braker Kirche die romanischen Säulen das einzige Zierelement sind, stellen sie für die Datierung einen wichtigen Anhaltspunkt dar.

Romanische Säulen der Schallöffnungen und Tür der westlichen Turmseite
Bleistiftzeichnung von Carl Dewitz 1880

Wenden wir uns nun dem Innenraum der Kirche zu. Hier betrachten wir zunächst die Art der Gewölbekonstruktion im Mittelschiff und im Turm. Es sind Kreuzgewölbe auf quadratischem Grundriß, die in ihrer Form der einer Kuppel sehr nahe kommen. Die diagonal verlaufenden Rippen sind entgegen dem äußeren Anschein nur angedeutet und haben noch keine tragende Funktion wie bei späteren echten Rippengewölben. Die Bruchsteine wurden auf eine hölzerne Verschalung in eine dicke Mörtelpackung gelegt und mußten sich nach dem Abbau des Untergerüstes durch gegenseitige Keilwirkung halten. Die Gurt- und Schildbögen, also die Entlastungsbögen zwischen den Gewölben und zur Wand hin, weisen noch rein romanische Rundbogenformen auf. Der leichte Spitzbogen, wie er sich z. B. an den Gewölben der Lemgoer Nikolaikirche (1210-1230) findet und der die Übergangszeit zur Gotik kennzeichnet, tritt an der Braker Kirche noch nicht in Erscheinung.

In diesem Zusammenhang muß auf eine Hypothese eingegangen werden, die zuerst von H. Fricke geäußert wurde und von anderen Autoren immer wieder übernommen wurde. H. Fricke vertrat in einem Aufsatz die Auffassung, daß die Gewölbe des Mittelschiffes jünger seien als die Turmgewölbe. Er begründete seine Ansicht damit, daß bei den Gewölben des Mittelschiffes von allen vier Ecken aus eine "tütenartige Falte" zum Scheitelpunkt hinauf verlaufe, während das Turmgewölbe wie eine Kuppel konstruiert sei. Wie eine eingehende Nachprüfung ergab, findet sich dieser aus der Gewölbeebene hervortretende Grat jedoch lediglich an den Ansätzen der Gewölbe - dort übrigens in weniger ausgeprägter Form durchaus auch im Turm - und verliert sich dann recht bald in der Gewölbekuppel. Eine Verschiedenheit in den Gewölbekonstruktionen ist also nicht nachweisbar. Zudem hätte der von H. Fricke auf 100 bis 150 Jahre veranschlagte Altersunterschied zwischen Turm und Mittelschiff sicherlich zur Folge gehabt, daß das Schiff im gotischen Stil erbaut worden wäre, wie bei vergleichbaren Kirchenbauten in Lage, Heiden oder Talle. Bei diesen Kirchen wurde das ursprüngliche Schiff im 15.Jahrhundert abgebrochen und neu errichtet. In allen Fällen wurde dabei statt des romanisehen Rundbogens der "moderne" gotische Spitzbogen an den Gewölben ausgeführt. Dennoch sei auf einen konstruktiven Unterschied zwischen beiden Bauteilen hingewiesen. Während im Mittelschiff die Gewölbe auf starken Wandvorlagen mit Schildbögen ruhen, ist im Turm das Gewölbe ohne Vorlagen zwischen die Mauern gespannt. Für diesen Sachverhalt läßt sich aber eine einfache Erklärung finden. Die Außenmauern des Kirchenschiffes besaßen eine Stärke von 1,10 m, wogegen die Stärke der Turmmauer 1,40 m beträgt. Aufgrund der dadurch erreichten größeren Stabilität konnte man es wagen, das Gewölbe im Turm ohne Wandvorlagen zu errichten. Auch hieraus läßt sich also keine Altersdifferenz zwischen Turm und Mittelschiff ableiten.

Architektonisch sehr aufschlußreich ist die Aufteilung des Innenraumes. Beim Vergleich mit den älteren lippischen Kirchen fällt hier ein bedeutender Unterschied ins Auge. War es sonst der Fall, daß das Turm-Erdgeschoß wesentlich niedriger und schmaler als das Kirchenschiff ausfiel und durch eine Mauer mit einem kleinen Durchgang von ihm abgetrennt war (z. B. in Donop, Meinberg, Heiden), wird es in Brake mit in den Kirchenraum einbezogen, wobei außen der Turm mit dem Schiff fluchtet. Dieses Merkmal des "eingebundenen Westturmes" tritt zuerst bei der 1170-1190 von Bernhard II. erbauten Lippstädter Nikolaikirche auf und wird bei allen Folgebauten der Edelherren zur Lippe beibehalten. Der Schluß liegt deshalb nahe, daß auch die Braker Kirche Bernhard II. zuzuschreiben ist, zumal sie, wie die Kirchen in Lippstadt und Lemgo, dem Hl. Nikolaus geweiht war. Sie wäre folglich nach der Lippstädter und vor der Lemgoer Nikolaikirche und somit um das Jahr 1200 errichtet worden.


Der Schutzheilige - St. Nikolaus

In Lemgo und Brake befinden sich die einzigen Nikolaikirchen auf lippischem Boden. Im größeren Umkreis aber gibt es eine ganze Reihe von Städten, die ihre Marktkirchen zu Beginn des 13. Jahrhunderts ebenfalls dem Hl. Nikolaus, dem Schutzpatron der Kaufleute und Seefahrer weihten (z. B. Herford, Bielefeld, Warburg, Obermarsberg, Hameln, Rinteln). In den Städten ist sicherlich eine bestehende Kaufmannssiedlung oder zumindest der Plan zum Ausbau einer Handelsstadt als Ursache für die Wahl des Schutzheiligen anzusehen, denn was lag näher, als daß Handeltreibende für ihre neu errichtete Kirche auch ihren Heiligen als Schutzpatron wählten.

Doch wie sieht die Sache in dem kleinen Dorf Brake aus? Eine Kaufmannssiedlung als Ursprung des Ortes wird man kaum vermuten dürfen. Die Handelsstraßen verliefen alle an Brake vorbei durch die gerade entstehende Stadt Lemgo. Die Kaufleute werden schwerlich auf den Gedanken gekommen sein, sich nun in Brake niederzulassen. Trotzdem darf die Wahl des Schutzheiligen nicht als bloßer Zufall angesehen werden, sondem es muß schon einen Grund dafür geben, daß die Kirche gerade diesem Heiligen geweiht wurde.

Am naheliegendsten erscheint es, die Ursache des Patroziniums auf die Person des mutmaßlichen Bauherrn, Bernhard II., zurückzuführen. Einige Jahre zuvor hatte er die Nikolaikirche in Lippstadt erbauen lassen. Als er in den folgenden Jahren seine ersten Schritte in das spätere Land Lippe unternahm, dürfte ihm bei seiner vorausschauenden Denkweise bereits die Gründung weiterer Handelsstädte vor Augen geschwebt haben. Schon bald verwirklichte er seine Pläne mit der Gründung der Stadt Lemgo. Als sein Wohnsitz zu jener Zeit muß die nahegelegene Burg Brake gelten, in deren Besitz er durch bislang nicht geklärte Umstände gelangt war. Von hier aus nahm er auch den Bau der Braker Kirche in Angriff, die somit die erste Kirchengründung des Edelherrn auf lippischem Boden gewesen ist. Vielleicht gab Bernhards Bestreben, einen festen Platz für den Handel in dieser Gegend anzulegen, den Ausschlag für die Wahl des Schutzheillgen, so wie es in Lippstadt und später auch in Lemgo der Fall war.

Sowohl die räumliche Nähe als auch der geringe zeitliche Abstand in der Bauzeit zwischen der Lemgoer und der Braker Nikolaikirche sind zu auffällig, als daß nicht ein direkter Zusammenhang zwischen beiden Kirchen bestehen muß. Dieser Zusammenhang ist nur in der Person des Bauherrn zu sehen, der bei beiden Kirchen derselbe gewesen sein wird. Als solcher kommt aber, nach allem, was wir wissen, nur Bernhard II. in Frage. Der Erwerb der Burg Brake sowie der Bau der Braker Kirche waren seine ersten entscheidenden Schnitte, die schon kurze Zeit später zur Gründung der Stadt Lemgo und zur Festigung seines neuen Herrschaftsgebietes führten.

Auffällig ist der Standort der Kirche innerhalb des Siedlungsgefüges des alten Ortskerns. Im Westen und im Süden grenzt an den Kirchhof der Hofraum des im 16.Jahrhundert aufgeteilten Oberen Hofes, der einer der Meierhöfe der Burg Brake war. Das Gebiet des zweiten Meierhofes, des Niederen Hofes, schließt sich im Norden an. Damit ist die Kirche fast völlig von ehemals grundherrlichem Besitz eingeschlossen, so daß sich die Vermutung aufdrängt, daß das Kirchengrundstück ursprünglich zum Bestand der meierstättischen Besitzungen gehörte. Eine Kirchengründung auf dem Grund und Boden des Edelherrn aber deutet hin auf eine sog. Eigenkirche, d. h. eine Kirche, die keiner klerikalen Institution unterstand, sondem an der der Grundherr die alleinigen Rechte besaß. Er war der Erbauer der Kirche und er bestimmte, wer als Pfarrer eingesetzt wurde.

Im frühen Mittelalter war das Eigenkirchenrecht im ganzen westlichen Europa weit verbreitet, stieß aber seitens der Kirche auf zunehmende Ablehnung. Durch die Lateransynoden von 1123 und 1139 wurde schließlich das Verbot des Laieneigentums an Kirchen ausgesprochen. Dennoch hielt sich das Eigenkirchenrecht noch geraume Zeit und verlor seine Grundlage erst im Verlauf des 13. Jahrhunderts.

In Lippe sind eine ganze Reihe von Kirchen bekannt, die ursprünglich als Eigenkirchen errichtet wurden, wie z. B. Stapelage und Heiden. Auch dort wurde für den Kirchenbau ein Grundstück von einem Hof des jeweiligen Grundherrn abgetrennt. Darüber hinaus ging auch ein Teil der bewirtschafteten Flächen in den Besitz der Kirche über. Während sich in Helden noch deutlich erkennen läßt, daß das Land des Meierhofes und das der Kirche ehemals eine Einheit gebildet haben, ist in Brake eine vergleichbare Abtrennung nur schwer nachvollziehbar. Durch die Auflösung der Meierhöfe um 1520 und die Umvertellung des Landes auf verschiedene kleinere Hofstätten ist hier die ursprüngliche Struktur zusammengehöriger Ackerflächen stark verwischt worden.

Ihre Gründung als Eigenkirche erklärt auch, warum die Braker Kirche im Paderborner Archidiakonatsverzeichnis von 1231 - dem frühesten Verzeichnis über die Aufteilung des Landes in kirchliche Verwaltungsbezirke - noch nicht genannt wird. Da sie einem weltlichen Herrn unterstand, war sie gleichzeitig dem direkten Einfluß des Bischofs entzogen.

Fassen wir die bisherigen Resultate zusammen, so ergibt sich aus den stilistischen und konstruktiven Merkmalen, daß die Braker Kirche in der Zeit um 1200 im romanischen Stil als eine Eigenkirche errichtet wurde. Als Bauherr ist wahrscheinlich der lippische Edelherr Bernhard II. anzusehen. Vom äußeren Aufbau her stellte die Kirche eine einschiffige, zweijochige Anlage mit gleichbreitem Westturm dar, im Innern wirkte sie dagegen wie ein dreijochiger Bau, da das Turm-Erdgeschoß in den Kirchenraum einbezogen ist. Wie die noch erhaltenen Schießscharten an der Südseite des Turmes ausweisen, hatte die Kirche ehemals nicht nur sakrale Bedeutung. Sie konnte in Kriegszeiten auch als Flucht- und Wehranlage für die Bewohner des Dorfes Verwendung finden.


Erste Umbauten

Das erste schriftliche Zeugnis über die Braker Kirche liegt uns mit einer Urkunde aus dem Jahre 1328 vor. Der lippische Edelherr Simon I. legte darin mit Zustimmung des Braker Pfarrers Heinrich den Tausch eines Stück Landes in der Nähe des Lemgoer Regenstores gegen einen zu seinem Allodium in Brake gehörigen Acker beim Krupelsiek fest. Zu dieser Zeit scheint die Kirche also bereits mit Pfarrechten ausgestattet gewesen zu sein, denn sonst hätte Simon I. sicher nicht die Einwilligung des Braker Pfarrers für den Tausch benötigt. Die Erhebung zur Pfarrkirche dürfte damit in die Zeit um 1300 fallen.

Bis zur Reformation liegen nur sehr wenige schriftliche Quellen über die Braker Kirche vor. So können wir uns nur ein sehr unvollständiges Bild über ihre frühe Geschichte verschaffen.

Aufschlußreicher sind für diese Zeit schon die baulichen Gegebenheiten. In einer zweiten Bauphase, die wahrscheinlich noch in die mittelalterliche Zeit fällt, erfolgte eine entscheidende Veränderung des Gebäudes: Der Dachstuhl der Kirche wurde vollständig erneuert und durch den jetzigen steileren Giebel ersetzt. Während des gleichen Bauabschnittes erhöhte man außerdem die Außenmauern des Kirchenschiffes um ca. 85 cm. Die Spuren dieses Umbaues lassen sich noch heute auf dem Dachboden der Kirche nachweisen.

Der Dachboden des Mittelschiffs, Blick nach Westen

Für das 17.Jhd. ist urkundlich ein Speicher belegt, der auf dem Kirchhof gestanden hat. Derartige Kirchhofspeicher sind typisches Merkmal einer sog. Kirchenburg. Die hohe Friefhofsmauer und die Kirche selbst dienten den Dorfbewohnem als nahe Zufluchtsstätte in Kriegszeiten, während der Speicher zur Sicherung von Hab und Gut Verwendung fand. Eine solche Kirchenburg ist auf lippischem Gebiet in Heiden nachgewiesen worden. Vgl. hierzu auch: Kirchengemeinde Brake, Informationen und Meinungen Nr. 80, Okt./Nov. 1982.

Vermauerte Schallöffnung an der Ostseite des Kirchturms

An der Ostseite des Turmes, dort, wo der Dachfirst anstößt, sind die rundbogigen Werksteine einer romanischen Schallöffnung erhalten, die heute vom Kirchendach überdeckt wird. Sie entspricht in ihrer Form und in ihren Ausmaßen genau den Schallöffnungen an der Nord- und Südseite und gehört damit zweifellos der Zeit um 1200 an. Durch die Erhöhung des Daches war sie überflüssig geworden und wurde daher vermauert.

Zur gleichen Zeit wurden die Außenmauern der Kirche aufgesteckt. Auf dem Dachboden ist an einigen Stellen noch deutlich die ursprüngliche Höhe der Mauern zu erkennen; denn, da die Aufmauerung etwas schmaler erfolgte als die alte Wand, entstand ein auffälliger waagerechter Absatz. Eine derart unsachgemäße Aufmauerung läßt auf eine laienhafte Arbeit schließen, die vielleicht unter Zeitdruck vorgenommen werden mußte. Aus diesem Grund ist es wohl am naheliegendsten, den Umbau mit einer der Fehden des 15. Jahrhunderts in Zusammenhang zu bringen. Sowohl die Eversteinsche Fehde (1404-1409) als auch die Soester Fehde (1447) haben in Lippe große Schäden angerichtet. Es ist nicht auszuschließen, daß auch die Braker Kirche dabei in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Möglicherweise wurde das Dach der Kirche während der Kriegswirren in Brand gesetzt und später neu errichtet, wobei man, dem Einfluß der Gotik entsprechend, eine steilere Dachkonstruktion wählte. Im Jahre 1448, ein Jahr nach der Soester Fehde, stiftete der damalige Pfarrer Arnold von Hodenhusen einen Altar für die Kirche, der den Heiligen St. Stephanus und Maria Magdalena geweiht war. Es ist durchaus denkbar, daß er, nach einer teilweisen Zerstörung der Kirche, diese Stiftung für das wiederhergestellte Gotteshaus vollzog.

Hodenhusen, der von seinen Eltern ein großes Erbe erhalten hatte, konnte es sich leisten, umfangreiche Schenkungen zu machen. So bestätigten die Edelherren Bernhard und Simon zehn Jahre später die Schenkung von 68 1/2 Stücken Landes des Pfarrers an die Braker Kirche. Der größte Teil der in der Lemgoer Gemarkung gelegenen Braker Pfarrländereien stammt vermutlich von den Schenkungen Hodenhusens, und das Pfarrvermögen scheint zu jener Zeit recht beträchtlich gewesen zu sein.

Für die folgenden Hundert Jahre schweigen sich die Akten über die Kirche aus. Erst 1542, als der reformierte Theologe Antonius Corvinus nach Lippe berufen war, um die hiesigen Pfarrer zu prüfen und zu belehren, erfahren wir wieder einiges über die kirchlichen Verhältnisse. Corvinus berichtete nach einer in Brake abgehaltenen Visitation, daß der Braker Pfarrer Johann von Minden der ärmste in Lippe sei . Allem Anschein nach war also von dem ehemals so großen Vermögen der Kirche kaum etwas übriggeblieben. Was hier zwischenzeitlich in Brake geschehen sein mag, darüber geben uns keine Quellen Aufschluß. Es ist somit ein Kapitel Braker Kirchengeschichte, das im Dunkeln der Vergangenheit liegt.


Reformation und Zeit der Braker Grafen

Graf Simon Vl. zur Lippe

Bis zum Ende des 16.Jahrhunderts war Brake nie über den Stand eines unbedeutenden, kleinen Dorfes hinausgewachsen. Wenn auch hier und da ein bescheidener Hof gegründer worden war, so war der Ort doch für neue Siedler immer recht unattraktiv geblieben. Das änderte sich, als im Jahre 1587 der lippische Graf Simon Vl. seine Residenz von Detmold nach Brake verlegte und auf den Trümmern der in der Soester Fehde zerstörten Burg ein stattliches Renaissance-Schloß errichten ließ.

Nun setzte in Brake allmählich eine Entwicklung ein, die aus der bäuerlichen Ansiedlung ein Dorf der Beamten und Herrendiener werden ließ. Schon bald gab es kaum noch eine Familie in Brake, die nicht ganz oder zum Teil am Grafenhof im Lohn stand. Nach und nach bildete sich daneben auch ein selbständiger Handwerkerstand heraus. All die Schmiede, Zimmerleute, Schuhmacher und Schneider, die ihre Werkstätten im Dorf einrichteten, konnten auf gute Verdienstmöglichkeiten hoffen, waren sie doch nun zu angesehenen Hoflieferanten geworden.

Graf Simon VI zur Lippe

Simon VI. war zweifellos einer der bedeutendsten und tatkräftigsten Herrscher des Landes Lippe. Zu zahlreichen Fürstenhöfen des Reiches pflegte er lebhafte Beziehungen. Überall versuchte er, seinen Einfluß geltend zu machen.

Es ist als Simons Verdienst anzusehen, daß in Lippe die reformierte Lehre zur vorherrschenden Glaubensrichtung wurde. Er, der in theologischen Fragen stets gut unterrichtet war, strebte eine Weiterentwicklung der lutherischen Kirchenordnung an, wobei er sich eine Einigung zwischen den Anhängern Luthers und den Calvinisten erhoffte. Im Jahre 1602 führte er in der Kapelle des Braker Schlosses die reformierte Kirchenordnung ein, die nun allen Kirchen des Landes als Vorbild dienen sollte. Drei Jahre später folgte sein öffentliches Bekenntnis zur reformierten Lehre in der Kirche zu Detmold.

Simons kirchliche Aktivitäten scheinen sich im wesentlichen auf seine Kapelle am Hofe beschränkt zu haben. Hier ließ er im Jahre 1600 von dem Hamburger Orgelbaumeister Hans Scherer eine Orgel aufstellen, die er auch selbst spielte. Da Scherer zu den besten deutschen Orgelbauern zählte, muß es sich bei dem Instrument um eine vorzügliche Arbeit gehandelt haben. Die Wände der Kapelle schmückten zwölf große Tafelbilder des Hildesheimer Malers Johann Hopfe, auf denen die alttestamentliche Geschichte Abrahams und Lots dargestellt war. Gegenüber all diesem Prunk bei Hofe machte sich die Braker Kirche recht bescheiden aus. Über Schenkungen oder Begünstigungen von seiten des Grafen ist nichts bekannt. Ihm lag offensichtlich nicht viel an der Förderung der Kirche im Dorf. Der Braker Pfarrer Anton Perezonius beklagte sich sogar, daß er sich von der Pfarre nicht erhalten könne, denn der Hofprediger Plesman strich einen Großteil der Korn- und Geldrenten für sich ein. So ist es nicht verwunderlich, daß Perezonius 1610 die Gelegenheit ergriff und eine besser dotierte Pfarrstelle in Cappel annahm. Nach Simons Tod im Jahre 1613 wurde die Landesherrschaft unter seinen Söhnen aufgeteilt. Die Ämter Brake, Bamtrup und Blomberg erhielt sein dritter Sohn Otto, der damit zum Begründer des Hauses Lippe-Brake wurde. Fast ein Jahrhundert lang, bis zum Jahre 1709, haben die Braker Grafen das Leben im Dorf bestimmt. Vor allem unter der Regierung von Ottos Nachfolger Casimir gelangte Brake zu einer Blüte, die der Ort in seiner ganzen späteren Geschichte nie wieder erreichen sollte.


Die Kirche im Dreißigjährigen Krieg

Über die Baumaßnahmen an der Kirche während des 17.Jahrhunderts sind wir aufgrund der zahlreichen schriftlichen Quellen recht gut unterrichtet. Im Jahre 1606 fertigte der Lemgoer Uhrmacher Cordt Stolle für die Kirche eine Turmuhr an, für die er 18 Taler an Lohn erhielt. Die Uhr, die wohl zu den ältesten Kirchenuhren des lippischen Landes zählte, war fast dreihundert Jahre lang in Betrieb. Ihre beiden schweren Sandsteingewichte sind heute noch vorhanden.

Über die Arbeiten zu einer Prieche (Empore) berichtet eine Kirchenrechnung aus dem Jahre 1637: "... für das Holtz und Dielen zur Brichen gegeben 4 Thlr." Dies ist das erste Mal, daß überhaupt eine Prieche in der Kirche erwähnt wird. Ob es sich dabei um einen Neueinbau oder lediglich um die Reparatur einer schon vorhandenen Prieche handelt, geht aus der Rechnung nicht hervor. Der hohe Betrag von vier Talern läßt im Vergleich zu anderen Rechnungspositionen auf recht umfangreiche Arbeiten schließen. Nun ist aber andererseits zu bedenken, daß gerade das Jahr 1637 eines der verheerendsten in der Geschichte des Dorfes darstellt. Es war die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, und überall wütete die Pest. Auch in Brake war die Einwohnerzahl durch die Seuche drastisch reduziert worden. Die meisten Bauern waren vollkommen verarmt. Mit den kirchlichen Finanzen stand es nicht zum Besten, denn durch die schweren Kriegszeiten waren die Einnahmen merklich zurückgegangen. Wieso nun gerade in dieser schlimmen Zeit der Einbau einer Prieche vorgenommen wurde, erscheint in diesem Licht betrachtet doch recht unverständlich. Zwar lehrt die Geschichte, daß gerade in harten Zeiten die Kirchen einen besonders großen Zustrom an Besuchern haben, doch kann hierin nicht der alleinige Grund für eine derartige Maßnahme liegen. Vielleicht war die Prieche für den Grafen und sein Gefolge bestimmt. Es wäre jedenfalls erstaunlich, wenn nicht, wie andernorts auch, für den Adel ein bevorrechtigter Platz in der Kirche vorhanden gewesen wäre. Selbst wenn die Empore nicht ausdrücklich als herrschaftlich bezeichnet wird, so liegt es doch nahe, anzunehmen, daß der Graf einen derart vorrangigen Platz für sich beanspruchte.

Der Armenkasten von 1637

Der Einbau einer Prieche war nicht die einzige Neuerwerbung jenes Jahres. Für die Aufbewahrung der Armengelder ließ die Kirche einen eisenbeschlagenen Opferstock anfertigen. Er ist noch heute in Gebrauch.Aus dem gleichen Jahr stammt auch die Kanzel, die bei einem ungenannten Lemgoer Meister in Auftrag gegeben wurde. In den Rechnungen ist für diese Arbeit ein Betrag von 5½ Talern angegeben.

Bislang wurde angenomen, daß die Kanzel eine Stiftung des Grafen Casimir anläßlich des Nordschiff-Anbaues im Jahre 1660 ist, da sich am Schalldeckel über der Kanzel eine Wappentafel mit seinem Namen befindet. Als Geschenk Casimirs ist aber lediglich der Schalldeckel anzusehen, denn nur an ihm befindet sich das Wappen des Grafen nebst der Inschrift: "V.G.G. (Von Gottes Gnaden) Casimir Graff und Edler Herr zur Lippe".

Auch im kirchlichen Rechnungsbuch wird nur der Schalldeckel als eine Stiftung des Grafen bezeichnet. Unter dem Jahre 1663 heißt es dort: "Zum neuen Deckel auff der Cantzel fest zu machen dem Steinhauwer 4 gr." und an anderer Stelle: "Als der Deckel, welcher von Ihr Hoch Gräffl. Gndn. in die Kirche verehret, befestiget worden...". Davon also, daß zur gleichen Zeit auch die Kanzel selbst gestiftet worden ist, ist nirgends die Rede.

Ein stilistischer Vergleich des Schalldeckels mit der Kanzel belegt ebenso, daß beide nicht gleichzeitig entstanden sein können. Während das üppige Rankenwerk, das die Frontseiten des Deckels ziert, recht grob ausgearbeitet wurde, lassen die Brüstungsbretter und der Fuß der Kanzel eine wesentlich sorgfältigere Bearbeitung mit viel Liebe zum Detail erkennen. Die rundbogigen Blendarkaden sowie der ringsumlaufende Zahnschnittfries zeigen noch unverkennbare Merkmale der ausgehenden Renaissance.

In der 1637 noch einschiffigen Kirche konnte der Prediger sicherlich auf einen Schalldeckel über der Kanzel verzichten, da der verhältnismäßig kleine Raum keine klangtechnischen Probleme aufwarf. Als Vergleich können die Kanzeln der einschiffigen Kirchbauten in Sonneborn und Elbrinxen angeführt werden, die ebenfalls keinen Schalldeckel besitzen.

Erst durch die Erweiterung der Kirche 1660 wurde die Raumakustik merklich verändert, so daß nun zur besseren Klangausbreitung ein Schalldeckel über der Kanzel angebracht wurde.

All diese Neuanschaffungen (Prieche, Armenkasten, Kanzel) gehen laut Rechnungsbuch auf das Jahr 1637 zurück, als Brake schon sehr vom Dreißigjährigen Krieg gezeichnet war. Doch das Schlimmste stand dem Dorf noch bevor. Als im März 1638 der schwedische General King von Minden her nach Lemgo anrückte, quartierte er sich mit seinem Heer im ganzen Braker Schloß ein. Dort fanden sie alle Vorräte, die der Graf sich für Notzeiten angelegt hatte. Bei ihrem Abzug Anfang April schleppten sie fast alle Lebensmittel, Stoffe, Wagen und Pferde mit fort. Doch schon im Herbst waren die Schweden wieder da und belagerten die Stadt Lemgo. Auch dieses Mal wurde Schloß Brake seiner ganzen, inzwischen neu angelegten Vorräte beraubt. Aber die Schäden im Dorf waren dieses Mal weitaus schlimmer. Die meisten Leute waren während der Belagerung mit ihrem Vieh und ihrer Habe in die Wälder geflüchtet. Bei ihrer Rückkehr fanden sie ein völlig zerstörtes Dorf vor. Aus den Häusern waren Dielen und Glebelbretter herausgerissen, einige Häuser waren ganz abgebrochen. Das Holz hatten die Soldaten verfeuert, um sich in den kühlen Herbstnächten wärmen zu können. Auch die Gärten ließen sie völlig verwüstet zurück. Die Obstbäume wurden abgesägt, die Gartenfrüchte herausgerissen oder vertrampelt. Während der zweiwöchigen Belagerungszeit war so im Dorf ein Schaden von 11 780 Talern entstanden. Inwieweit auch die Kirche in jenem Jahr in Mitieldenschaft gezogen wurde, ist nicht bekannt. Vom Jahre 1640 findet sich allerdings eine Rechnung über umfangreiche Reparaturarbeiten. Der Helm des Kirchturmes wurde ganz neu eingedeckt, und auch am Kirchendach mußten einige Stellen ausgebessert werden. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß diese Schäden noch von der Zeit der Belagerung 1638 herrührten.

Die Bilanz des Dorfes nach dem Kriegsende 1648 war erschreckend. Die Einwohnerzahl Brakes war um die Hälfte gesunken und betrug nur noch etwa 250. Ein Großteil der Felder lag brach, weil die Bauern nicht mehr genügend Arbeitskräfte hatten, um sie zu bewirtschaften. Viele Häuser waren zerstört, einige standen leer, weil ihre ehemaligen Bewohner fortgezogen waren oder die Pest sie dahingerafft hatte.

Es dauerte lange, bis Brake sich von den Auswirkungen des Krieges erholt hatte und zu einem neuen Aufschwung gelangt war. Doch mit der Zeit kamen mehr und mehr Neuwohner, die sich am Schloß und in dem aufstrebenden Ort gute Verdienstmöglichkeiten erhofften. An vielen Stellen wurde neues Bauland erschlossen, und Brake begann, sich nach allen Seiten hin auszudehnen.


Der Anbau des Nordschiffs

Durch den großen Zuzug war die Kirche schließlich zu klein für die ständig anwachsende Bevölkerung geworden. So beschloß Graf Casimir, entlang der Nordseite der Kirche ein Seitenschiff anbauen zu lassen, mit dessen Durchführung ein als Meister Hans benannter Baumeister beauftragt wurde. Womöglich handelt es sich bei ihm um den Meister Hans Degener, der später auch den Ostflügel des Braker Schlosses erbaute. Am 21. Oktober des Jahres 1659 wurde Meister Hans nach Brake berufen, um mit ihm das Vorhaben zu besprechen. Die Verhandlungen fanden im Minderkrug statt, wobei der Meister sich auf Rechnung der Kirche für immerhin 1 Taler und 7 Groschen beköstigen ließ.

Steinmetzzeichen Hans Degeners
an der Nordseite der Kirche

Bei einer zweiten Besprechung am 4. November gelangte man schließlich zu einer Einigung, und die Verträge konnten geschlossen werden. Die Arbeiten gingen sehr zügig voran, und schon im darauffolgenden Jahr war der Bau fertiggestellt. Über den heute vermauerten Haupteingang ließ Graf Casimir sein Wappen und das seiner Mutter Margarete von Nassau-Catzenellnbogen setzen.

Doch die Freude über das neue Werk sollte nicht von langer Dauer sein. Noch im selben Jahr wurde die Kirche das Opfer eines schweren Unwetters. Als am 8. Dezember 1660 unser Land von einem furchtbaren Orkan heimgesucht wurde, der vor allem in Lemgo und Brake große Schäden anrichtete, stürzte der Turmhelm herunter und zerschmetterte dabei das gerade fertiggestellte Kirchendach. Zwar wurde es zunächst notdürftig wiederhergestellt, für den Wiederaufbau des Turmes aber konnten die nötigen Gelder nicht aufgebracht werden. In den Kirchenrechnungen finden wir über dieses Ereignis folgende Notiz: "Als leider der Sturmwindt den Kirchthurm herunter und auf die Kirche geworfen, also das, sowol das newe als alte Dach sehr hart beschedigt worden, ist das Dach auf der Kirche durch 2 Menner mit Stroh behangen denen in fünf Tagen an Arbeitslohn und Bier gegeben 1 Thaler, 31 Groschen, 3 Pfennige. Als der Thurm mit einem Dach von Dielen oben wieder zugedecket, hat man dazu kaufen müssen Dielen für 2 Thaler, 12 Groschen, 3 Pfennige".

Erst 1663, nachdem eine Kollekte an alle Pfarreien des Landes ausgeschrieben worden war, die insgesamt 73 Taler einbrachte, und Graf Casimir die Kirche noch mit 50 Talern unterstützt hatte, konnte man darangehen, den Kirchturm neu zu errichten.

Im Zuge der Erweiterung der Kirche wurde zusätzlich zu dem Haupteingang an der Nordseite noch ein zweiter Zugang durch die westliche Turmwand geschaffen. In den Rechnungen ist hierfür ein Betrag von 9 Talern und 27 Groschen angegeben. Trotz ihres altertümlichen Aussehens ist die Turmtür also nicht als der ursprüngliche Haupteingang anzusehen. Er läßt sich sicherlich am ehesten an der Nordseite der Kirche vermuten und wurde dann beim Anbau des Seitenschiffes dort auch beibehalten.

In den mittelalterlichen Kirchen standen kultische Zeremonien im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Da hierfür ein mystisches Dämmerlicht den geeigneten feierlichen Rahmen bot, waren die Fensteröffnungen sehr klein und ließen nur wenig Licht in den Innenraum fallen.

In Brake wird zuerst 1642 über ein vergrößertes Fenster berichtet: "... 8 newe Fenster gegen dem Preditgstuel über in die große Lucht gemacht ...". Offenbar waren also im Turm und im Chorraum noch die alten Fensteröffnungen erhalten. Nur die Kanzel, die ja nun eine zentrale Stellung im Gottesdienst einnahm, wurde durch das einfallende Licht beleuchtet. Nach dem Anbau des Nordschiffes erhielten auch die übrigen Fenster ihre heutige Größe.

Vermauerter Eingang zur Prieche der Grafen

Über die Verteilung der Stühle nach dem Erweiterungsbau sind wir dank eines Verzeichnisses des Pastor Hünefeld aus dem Jahre 1670 genau unterrichtet. Die Empore im nördlichen Schiff war ausschließlich für die Grafenfamilie und ihr Gefolge bestimmt und konnte nur durch einen separaten Zugang von außen über eine Freitreppe erreicht werden. Die Brüstung der Empore schmückten zwei Wappentafeln des Grafen Casimir und seiner Frau Anna Amalia zu Sayn-Wittgenstein. Unter der gräflichen Prieche befanden sich die Plätze für die "Schloßsoldaten und Amtsbedienten, welche Achtung geben müssen, daß kein Tumult erregt werde auf dem Kirchhofe, den Gottesdienst zu verstören". Im Turm befand sich eine weitere Empore, die als Bauernprieche bezeichnet wurde. Sie mußte 1663 auf Anordnung des Grafen Casimir "wegen Wachstums der Gemeinde" repariert werden. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Bauernprieche um die gleiche Empore, die 1637 erwähnt wird.

In den folgenden Jahren wurde noch so manches Ausstattungsstück für die neue Kirche erworben. Ein sechsarmiger, bronzener Kronleuchter wurde eigens aus Bremen geholt. 1896 ist er beim Umbau der Kirche abhanden gekommen.

Die älteste urkundlich erwähnte Orgel stammte aus dem Jahre 1670 und war eine Stiftung der Gräfin Anna Amalia anläßlich des Kirchenneubaus.

Abendmahlsgerät, rechts der Kelch von 1696

Aus dem Jahre 1696 stammt ein silberner Abendmahlskelch, der der Kirche vom Grafen Casimir gestiftet worden ist. Den reich verzierten Schaft schmecken drei Widderköpfe, die wahrscheinlich den alttestamentlichen Versöhnungsbock symbolisieren sollen. Der Fuß des Kelches trägt die Aufschrift: "G. C. G. U. E. H. Z. L. S. D. K. I. U. K. Z. B. ANO 1696". Die vollständige Deutung der Abkürzungen steht noch aus. Lediglich der erste Teil der Inschrift kann zweifelsfrei gelesen werden als: "Casimir Graf und Edler Herr zur Lippe...".


Die Grafengruft

Unter dem östlichen Teil des Nordschiffes befindet sich die Familiengruft des Braker Grafenhauses. Bisher wurde angenommen, daß der gewölbte Raum zusammen mit dem Nordschiff erbaut wurde und somit auf das Jahr 1660 zurückgeht. Diese Vermutung scheint auf den ersten Blick auch durchaus einleuchtend zu sein. Sie bedarf jedoch, wie wir sehen werden, einer genaueren Überprüfung.

Graf Otto, Casimirs Vater, hatte in seinem Testament vom 9.12.1657 bestimmt: "Unser Leichnam soll hier in der Dorfkirche in ein Gewölb gesetzet werden... und daferne jemand dawider handelt, soll er seiner Erbschaft verlustig sein."

Da nun Graf Otto ausdrücklich die Wendung "in e i n Gewölbe" gebraucht, ist zu vermuten, daß zu jener Zeit noch keine Familiengrabstätte des Braker Grafenhauses existierte. Wäre eine Gruft vorhanden gewesen, die nur er selbst hätte anlegen lassen können, so dürfte man sicherlich die deutlichere Bezeichnung "in d a s Gewölbe" erwarten. 1657 kann sich somit in der Kirche noch keine Grafengruft befunden haben.

Graf Otto starb am 18. Dezember 1657. Die Gruft unter dem Nordschiff kann aber nicht vor dem Jahre 1660 fertiggestellt worden sein, denn die Arbeiten zum Nordschiff wurden ja erst Ende 1659 in Angriff genommen. Nun ist es aber nur schwer vorstellbar, daß Ottos Sarg drei Jahre lang an anderer Stelle aufbewahrt wurde, bevor er dann 1660 in eine neue Gruft gestellt wurde. Doch selbst wenn man diese Möglichkeit in Betracht zieht, gibt es Anhaltspunkte, die auf eine andere Deutung schließen lassen.

Mittelschiff der Kirche während des Umbaus 1977
Im Mittelgrund links das Gewölbe der ursprünglichen Grafengruft

Bei den Ausschachtungsarbeiten zu einer Heizungsanlage wurde 1961 in der Kirche eine weitere geräumige Gruft entdeckt, die sich in der Nordost-Ecke des Mittelschiffes befand. Überraschenderweise stand in dieser Grabstätte ein wertvoller Zinnsarg, in dem, wie einer Inschrift zu entnehmen ist, Graf Moritz, ein Bruder Casimirs, seine letzte Ruhe gefunden hat. Moritz starb 1666, und es erscheint daher zunächst unverständlich, warum er nicht in der Familiengruft unter dem Nordschiff begraben wurde, sondern eine eigene Grabstelle erhielt. Die einzig plausible Erklärung hierfür kann nur sein, daß die große Familiengruft 1666 noch gar nicht bestanden hat! Vielmehr sieht es so aus, als sei die Gruft im Mittelschiff die ursprüngliche Begräbnisstätte der Braker Grafen gewesen. Eben diese Gruft war es auch, die anläßlich des Todes von Graf Otto angelegt wurde. Daß sich in der Gruft außer dem Zinnsarg noch weitere Särge befunden haben, geht aus einem Bericht der "Lippischen Post" von 1896 hervor. Wie es darin heißt, wurde "in der Braker Kirche bei Umbauarbeiten eine Gruft entdeckt, die neben zwei Särgen Erwachsener und einem Kindersarg den Zinnsarg des Grafen Moritz enthielt". Offenbar wurde die Gruft also bereits 1896 schon einmal aufgefunden. Bei den erwähnten Särgen dürfte es sich um den des Grafen Otto und den seiner Ehefrau Margarete gehandelt haben.

Wann nun der Leichenkeller unter dem Nordschiff erbaut wurde, läßt sich zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, aber doch zumindest zeitlich eingrenzen. In jedem Fall kann er erst nach dem Tode des Grafen Moritz angelegt worden sein, also nach 1666. Von den beiden Steinsärgen, die sich in dem Gewölbe befinden, stammt der ältere aus dem Jahre 1685. Für die Bauzeit der Gruft bedeutet das, daß sie nur zwischen den Jahren 1666 und 1685 errichtet sein kann, also erst lange Zeit nach Fertigstellung des Nordschiffs.

Der Ökonom Bernhard Ewerbeck, derwährend des Ersten Weltkrieges seine Memoiren niederschrieb, berichtet über die Gruft:

"Große Steinplatten unter dem Altar bedeckten den Eingang zur Gruft der hier beigesetzten Grafen und Comtessen. Wer auf der breiten Steintreppe hinab steigt, sieht im gewölbten Raume.... hohe Sarkophage aus dunklem Schiefer."

Ohne das Verdienst des Chronisten schmälern zu wollen, kann diese Beschreibung doch nicht unkommentiert bleiben. Nach seiner Darlegung gelangte man vom Innern der Kirche über eine breite Steintreppe, deren Zugang unter dem Altar lag, hinab in das Gewölbe. Eine so angelegte Treppe hätte nun aber unter einem Winkel von 450 nach unten führen müssen, was einem Gefälle von 100 % entspricht. Ist eine derartige Treppe schon äußerst unbequem zu begehen, so müßte der Versuch, einen schweren Sarg über ein solches Gefälle hinab zu transportieren, hoffnungslos scheitern. Selbst wenn man von derannahme ausgeht, daß der vermeintliche Treppenzugang nicht unter, sondern hinter dem Altar gelegen hätte, wäre dennoch die Neigung zu stark gewesen, als daß ein Sarg hätte hinunterbefördert werden können. Man wird sich den Bestattungsvorgang deshalb wohl eher so vorzustellen haben: Unter dem Altar befand sich ein senkrechter, gemauerter Schacht, der nur zu Beerdigungen geöffnet wurde. Nach der Trauerfeier wurde der Sarg feierlich in den Schacht hinabgelassen und anschließend von dort aus über einen kurzen Verbindungsgang zur eigentlichen Gruft hinübertransportiert. Für die Sargträger und die Angehörigen war die Grabkammer von außen her zugänglich. Über die schmale Stiege ist die Gruft auch heute noch zugänglich.

Steinsärge des Grafen Casimir und seiner Ehefau Anna Amalia

In der gräflichen Gruft befinden sich heute noch drei Särge: Die beiden Schiefersärge des Grafen Casimir († 12. März 1700) und seiner Ehefrau Anna Amalia zu Sayn-Wittgenstein († 27. März 1685), sowie der bereits erwähnte Zinnsarg des Grafen Moritz, der 1961 aus der alten Grafengruft geborgen und hier aufgestellt wurde. Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde die Gruft vermauert und war so lange Zeit unzugänglich. Erst im Jahre 1949 legte man das Gewölbe wieder frei. Der damals verfaßte Bericht über die Öffnung vermittelt einen Eindruck von dem verwahrlosten Zustand der Gruft:

"Am 31. Mai wurde unter Anwesenheit des Ortspfarrers, Herrn Pastor Diestelmeier, durch den Kirchendiener August Kemper ein Zugang zu dem Totengewölbe geschaffen. Bei der Öffnung der Trennungswand fanden die Unterzeichneten folgende Lage vor: Ein etwa 4,65 x 2,5 5 in großer Raum mit einem Tonnengewölbe von 2,5 5 in Höhe, der ungefähr zu 3/4 mit vermoderter Erde und Bruchstücken von verfaultem Holz angefüllt war. Das Gewölbe wies eine etwa 2 qm große Einbruchstelle auf, die jüngeren Datums war und die durch eine Betondecke wieder verschlossen wurde. Es wurden zunächst die vermoderten Bestandteile der westlichen Hälfte des Kellers vorsichtig mit kleinen Schaufeln abgetragen. Dabei fanden sich außer vermoderten Holzteilen von Särgen u. a. 4 Wappen aus Stein, 6 Schädel und etliche Beinknochen, die sorgfältig geborgen wurden. Der völlig zerstörte Zinnsarkophag, der anscheinend beim Durchbruch des Gewölbes ganz platt gedrückt wurde, mußte abgebaut werden, da eine Wiederherstellung nicht möglich war. Beim Abbau dieses Zinnsarkopharges wurden 1 Schädel, 4 kleine Wappen aus Zinn, 1 große Wappentafel, 1 Platte mit Initialen (L F) und 3 kleine Zinnplatten mit Inschriften gefunden, die ohne Zweifel zu dem Zinnsarkopharg gehören. Erst nach Abräumung dieses Zinnsarkophages und großen Mengenvon Bruchsteinen und Schutt wurden die beiden Schiefersarkophage einigermaßen übersichtlich. Es handelt sich um Sarkophage von 2 in Länge und 0,85 in Höhe aus 3 cm dicken schwarzen Schieferplatten. Der Schiefer blätterte bei geringster Berührung ab. An dem ersten Schiefersarkophag konnten auf der Kopfplatte folgende Inschriften festgestellt werden:

A.AMALIA G. Z. LIPP. ET WITGENSTEIN OBIIT ANNO 1685 27 MARTY HORA SEXTA

Auf der Kopfplatte des südlichen Schiefersarkophages befinden sich die Inschriften:

CASEMIR G. V. EDLER HERR Z. LIPP. DENATUS EEN 12. MARTY ANNO 1700
CIRCA HORA 7TIMAM ET 8TAVAM HORA VESPERTINA

Der völlig zerstörte Zinnsarg, der bei der Offenlegung aufgefunden wurde und von dem nur noch Einzelteile geborgen werden konnten, war der Sarg des Braker Grafen Ludwig Ferdinand. Die Frontplatte mit den Initialen "L F" ist leider verschollen.

Zinnsarg der Grafen Moritz

Der Zinnsarg des Grafen Moritz trägt auf seinem Deckel in lateinischer Sprache eine Lebensbeschreibung des Verstorbenen. Die deutsche Übersetzung hierzu lautet:

"Hemme deinen Schritt und lies, deiner Sterblichkeit eingedenk, diese wenigen Worte. Es ruht in dieser Gruft der hochberühmte und erlauchte Herr, Herr Moritz Graf und Edler Herr zur Lippe, dritter Sohn der hochseligen Eltern Otto und Margarete von Nassau, der am 5. August im Jahre 1635 geboren ist und, nachdem er an Alter und Kräften zugenommen und seinen Geist durch Künste und Tugenden sorgfältig ausgebildet hatte, ach in der Blüte der Jahre von einem bösen Fieber ergriffen und am 4. August des Jahres 1666 die irdischen Dinge verließ, um in seinem Geburtsorte, dem Lemgo benachbarten Brake, 31 Jahre alt, sanft zu ruhen. Die Liebe des gütigen und trauernden Herrn verfügte an seinem letzten Lebenstage, daß für sein Begräbnis dieser Sarkopharg geschaffen wurde. Geh hin, Wanderer, und erwarte ruhig auch dein Los!"

Darüber hinaus befinden sich an den Seitenflächen des Sarges sechs Bibelsprüche in deutscher Sprache.


Herrschaftliche Beisetzungen

Über den Grafen Emst, einem Bruder des Grafen Casimir, lesen wir dort folgende Notiz: "... den 25. Mai (1670) ist derselbe des Abendts mit Fackeln beigesetzt worden in dem Hochgräflichen Begräbnisse in unserer Pfarrkirche". Von Graf Casimir, der am 12. März 1700 starb, wird berichtet: "sein verblichener Körper wurde abends, 12. Aprilis mit Brandfackeln in seinem Erbbegräbnis niedergesetzet".

Nach Casimirs Tod übernahm sein ältester Sohn Rudolph die Herrschaft auf dem Braker Schlosse. Über dessen Bruder Ferdinand findet sich im Kirchenbuch folgende umfangreiche Eintragung: "Den 19. September 1703 ist Illustrissimus Comes Ferdinandus (der hochangesehene Graf Ferdinand), einziger und vielgellebter Bruder unseres gnädigsten Grafen Rudolphi, nachdem ihm einige Tage zuvor durch eine Kanon-Kugel vor der Festung Lüneburg das Bein zermalmet und nach der Festung Mastrecht, umb allda currirt zu werden, geführt worden, zum großen Leidwesen dieses Hohen Hauses daselbst verstorben. Dessen Cörper hierher gebracht und den 24. Oktober in dem Hochgräflichen Begräbnis beigesetzt worden."

Der letzte Braker Erbherr, Ludwig Ferdinand, hatte im Jahre 1707 seine Herrschaft angetreten. Doch schon zwei Jahre später wurde er vom Tod ereilt. Im Tagebuch des Anton Küster wird seine Beisetzung in aller Ausführlichkeit geschildert. "1709, April 24. abends ist der entseelte Leichnam des Grafen Ludwig Ferdinand in der Kirche zu Brake sehr prächtig und unter einem sehr ansehnlichen Leichencondukt in köstl. zinnern Schrein beygesetzet. Vor dem Sarge gingen die gantze Schule von Detmold in schwarzen Manteln u. d. Hr. Prediger von Lemgo, Detmold und aus dem Brakeschen her, - derselben aber folgten die sämtlichen Hochgräflichen Herrschaften und die Minister und Bedienten, auch alle 9 Ämter aus Lemgo - und wurde die Leiche von der Ritterschaft getragen, - der Brakische Ausschuß und die Soldaten waren von dem Schloß bis an den Kirchhof a la haye gestellet, wodurch die ganze Prozession ging, es waren eine große Menge Wachs- und andere Fackeln da, welche zu tragen nebst den Laqueien auch die Schule aus Lemgo genommen worden. Nach gehaltener Predigt (Superintendent Vineator) wurden alle Leichenbegleiter auf dem Schloß Brake herrlich tractieret."

Nach dem Aussterben der Braker Grafen hatte Brake seine Bedeutung als Residenz verloren. Dennoch wurden hin und wieder Mitglieder des Lippischen Hauses in Brake beerdigt. Eine besonders kuriose Eintragung im Kirchenbuch findet sich über die Mutter des regierenden Landesherrn, des Grafen Simon August, die im Jahre 1756 starb. "... Ihro verblichener Cörper aber nachem Detmold in das Herrschaftliche Gewölbe beygesetzt, das Geweyde ist in einem viereckigen Kästgen in unserer Kirche, eingangs zur linken Handt, gleich an die Mauer begraben. Sie wurde an die 6 Wochen, des Mittags von 11-12 Uhr mit drei Pausen beleuthet, dabei stand die Orgel und alle Instrumentalmusic stille".

Die letzte Beisetzung in der Gräflichen Gruft fand im Jahre 1793 statt, als die Witwe des Grafen Wilhelm Albrecht Ernst, eine geborene Reichsgräfin Wilhelmine von Trotha, beerdigt wurde.


Die übrigen Grabstätten

Außer den Mitgliedern der Grafenfamilie war es auch anderen hoch angesehenen Personen gestattet, sich in der Kirche begraben zu lassen. Hierzu wurde eine Grube ausgehoben, die Innenwände mit Ziegeln ausgemauert und schließlich weiß gekälkt. Zum Teil erhielten die Grabstätten sogar noch eine gewölbte Decke. Als Abdeckung diente eine schwere Sandsteinplatte, in die eine Inschrift mit dem Namen des Verstorbenen eingemeißelt war. Zwei solcher Grabplatten sind uns erhalten geblieben und in der Kirche aufgestellt worden.

Grabplatte Hoffmann

Grabplatte Erp-Brockhausen

Es sind dieses die des Hofrats Johann Balthasar Hoffmann und seiner Ehefrau Clara Elisabeth Matthias, sowie die des Pastors Johann Henrich Gottfried Erp-Brockhausen. Leider sind die lateinischen Inschriften auf beiden Platten stark abgetreten. Anhand der Kirchenbücher läßt sich feststellen, daß wenigstens 23 Personen in der Kirche ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Kirche zu Brake, Grundriss mit Grabstätten

Die älteste Eintragung stammt vom 11. Februar 1651: "Johann Schucken hiesig gnedig jung Herrschaften Bedienter und Aufwarter so wohl hier als auch in der Fremde, Italien u. Frankreich, als er den 8. d. mittags zwischen 12 und 1 Uhr, sanft, selig und verständlich im Herrn eingeschlaffen und vorhin mit gutem Bedacht aus gottselig Hertzen der Kirchen und Armen alhier ein ehrliches vertestamentirt, im 19.Jahr und 5. Wochen seines Alters nata (geboren) 1632 abends fast. Epiph. christlich in volckreicher Versamblung in die Kirche alhier zur Erde bestattet worden."

Ein weiterer Bediensteter des Grafen wurde im Jahre 1703 bestattet. "Den 21.Juli ist Mons. Jean Cammerdiener Illustrissimi Rudolphi vom Pferde gefallen und von dem selben geschleift und also zu Tode kommen und am 23. dito darauf in unserer Kirche im Gange beigesetzt worden."

Eine merkwürdige Notiz lesen wir über den Amtsrat Ribbentrup. Ihm und seiner Frau stand das Grab ausdrücklich nur bis zu ihrer Verwesung zu. Für diese zeitweilige Ehrung hatte er zuvor 20 Taler an die Kirche gezahlt. Wahrscheinlich herrschte schon damals, zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Platzmangel in der Kirche.

Die offenbar letzte Beisetzung in der Kirche erfolgte 1786. "Den 21. März ist am Schlage gestorben der Hochwolgeb. Herr Franz Carl von Ebenn, weiland von 1739 bis zu Ausgang des 1747ten Jahres Hochgräfl. Lipp. Forstmeister, nachher aber bis an seinen Tod Hofmeister bey der gnädigsten Herrschaft zu Brake, in einem Alter von 79 Jahren. Er ist in hiesiger Kirche, in eine von der Kirche erkaufte Ruhestätte standesmäßig beigesetzt worden, u. zwar hinter des Hrn. Kanzler Hofmann Erb-Begräbnis, vor der so genanten Bauern Prieche."

Als bei der Erweiterung der Kirche im Jahre 1896 ein neuer Fußboden verlegt wurde, öffnete man die Grabstätten und füllte sie mit Erde an. Die schweren Grabplatten sind dabei größtenteils abhanden gekommen. Der Chronist B. C. Ewerbeck berichtet über diese Gruften in seinen Memoiren: "Bei dem Umbau fand man ... unter dem Boden kleinere gewölbte Grabstellen, in einem die noch gut erhaltenen Reste eines Verstorbenen, dessen Haare und seidenen Umhänge noch deutlich die ursprüngliche Farbe erkennen ließen."

Die jüngste Renovierung der Kirche in den Jahren 1977/78 bot ein letztes Mal die Gelegenheit, die Gruften, soweit möglich, auszumessen und zu kartographieren. An einigen Stellen war der Untergrund schon derart gestört, insbesondere durch neuere Heizungsanlagen, daß keine Mauerreste mehr vorgefunden wurden. Doch ist anzunehmen, daß sich ehemals im gesamten Mittel- und Nordschiff Gruften befunden haben. Von nun an werden die Toten jedenfalls in Frieden ruhen können, denn die Gruften sind durch die neue Fußbodenheizung für immer unzugänglich gemacht worden.


Die Epitaphien

a) Graf August zur Lippe-Brake

Der Innenraum wurde zu Anfang des 18. Jahrhunderts durch drei steinerne Epitaphien, große, schmuckvolle Gedenktafeln, bereichert. Das älteste und zugleich bedeutendste Epitaph wurde dem im Jahre 1701 verstorbenen Grafen August zur Lippe-Brake, einem Bruder des Grafen Casimir, gewidmet. In dem von mächtigen Säulen eingefaßten Mittelfeld erscheint die fast vollplastische Figur des Grafen, der sich in Heldenpose, eine Hand in die Hüfte gestützt, an einen Pfeiler lehnt. Im Hintergrund ist eine Kriegsszene dargestellt mit einem Reiter und Kanonen, die eine Stadt unter Beschuß genommen haben. In dem Medaillon unter dem Mittelfeld ist der Graf noch einmal abgebildet, wie er, in abwehrender Haltung, den Marschallstab in der Rechten, dem Tod begegnet. Im Jahre 1683 war August dem Deutschen Ritterorden beigetreten und wurde 1685 zum Verwalter des Ordensbezirks Hessen mit der Residenz Marburg ernannt. Aus diesem Grunde wurde in sein Wappen, wie wir es am Denkmal sehen, zusätzlich zur Lippischen Rose und dem Stern auch noch das Kreuz des Ritterordens aufgenommen, eine persönliche und unvererbbare Zutat.

Epitaph in Brake

Epitaph in Marburg

Die in lateinischer Sprache abgefaßte Inschrift des Epitaphs lautet zu deutsch:
"Bleib stehen, Wandrer! Denn dies ist das Denkmal eines Helden, der immer stand hielt, niemals floh, des verehrungswürdigsten und hochberühmten Grafen Augustus, des erleuchten hessischen Landgrafen Carl Geheimen Rats und Feldmarschalls, Ritter des Deutschen Ordens und obersten Befehlshabers in Hessen, stammend aus dem alten lippischen Herrscherhause, von Fürsten des Reichs, aus kaiserlichem und königlichem Blute. Da er unter dem Kaiser, den Königen von Frankreich, Britannien, dem Kurfürsten von Köln, den Herzögen von Lothringen und Lüneburg wie auch unter dem Landgrafen von Hessen so viele und gewaltige Beispiele eines großen Helden gegeben hatte, siehe, da gab plötzlich der Tod, nicht Mars ihm die Entlassung. So besiegte er den Mars den Tod und den Neid. Du, Nachwelt, habe Hochachtung vor dem strahlenden Ruhm eines so großen Helden oder vielmehr des deutschen Kriegsgottes, auf daß, bis auch die ser Stein vergehen wird, jener immer und ewig lebe, lebe, lebe! Geh nun von dannen Wandrer, und lerne hier, daß auch deiner diese Bestimmung wartet, denn der Tod, de einen so großen Kriegsgott nicht verschont hat, wird auch dich nicht verschonen. Geboren in Brake am 9. September 1643, gestorben in Neuwied am 19.Juni 1701, bestattet in der Elisabethkirche in Marburg am 21. August 1701."

Daß der Graf nicht in seinem Heimatort Brake beigesetzt wurde, hat seinen Grund darin, daß er in seinem Testament verfügt hatte, man solle ihn nach seinem Ableben entweder in Marburg oder in Brake beerdigen, je nachdem, welchem der beiden Orte er bei seinem Tode am nächsten sei. So wurde er denn, da er in Neuwied bei Koblenz gestorben war, in der Elisabethkirche zu Marburg bestattet. Gemäß seinem letzten Willen wurde ihm sowohl dort als auch in Brake ein Denkmal gesetzt. Beide Werke wurden von dem Frankfurter Bildhauer Bernhard Schwartzenberger ausgeführt, wobei das Braker Denkmal nach Ansicht von Fachleuten in seiner bildhauerischen Qualität zu den besten deutschen Arbeiten gehört.

b) Graf Ludwig Ferdinand zur Lippe-Brake

Ein weiteres Epitaph ist dem letzten Erbherrn zur Lippe-Brake, dem Grafen Ludwig Ferdinand, gesetzt worden. Nachdem sein Cousin Graf Rudolph im Jahre 1707 gestorben war, kam er im Alter von 27 Jahren völlig unerwartet an die Braker Herrschaft. Doch nicht lange sollte seine Regierung währen. Auf einer Reise, die ihn nach Hannover und Wolfenbüttel führte, erkrankte er an den Blattern, und selbst die vielen berühmten Ärzte, die eilends herbeigeholt wurden, konnten ihm nicht mehr helfen. So starb Ludwig Ferdinand am 21. Februar 1709 auf dem Schloß zu Wolfenbüttel, und mit ihm erlosch auch die Herrschaft der Braker Grafen. Seine Mutter Sophie Luise aber ließ ihrem einzigen Sohn in der Braker Kirche ein Denkmal setzen. Der in deutscher Sprache abgefaßte Text des Epitaphs gibt in ausführlicher Form den Lebenslauf des Grafen wieder:

Epitaph des Grafen Ludwig Ferdinand von 1709

"Dem hochgeborenen Grafen und Herrn Ludwig Ferdinand des Herrn Grafen und Edlem Herrn von der Lippe, dessen Leben unter sonderbarer Führung des Höchsten ein beständiger jedoch aber glücklicher Wechsel gewesen. Er sah sich in zartester Jugend bei Absterben seines Herrn Vatern, fand aber hingegen bei des Herzog von Holstein-Plön, Johann Adolphs DLK, eine mehr als väterliche Fürsorge und standesmäßige Erziehung, durchreiste in Gesellschaft des durchl. Prinzen von Holstein-Plön und nachgehens einer nach Konstantinopel verschickten, hochansehnlichen kaiserlichen Gesandtschaft die vornehmsten Reiche Europas. Verwechselte darauf die Begierde fremde Länder zu sehen aus Antrieb angeborener Tapferkeit mit dem Kriege und bekleidete die Stelle eines Oberstleutnants unter den hochfürstl. Wolfenbüttelschen nachmahls seine kaiserliche Majestät überlassene Truppen, verließ hinwieder auf anständiges Begehren seines Herrn Vorfahren das Getümmel der Waffen und trat ein geruhiges Leben an. Ward jedoch bald hernach zur Succession der ihm durch Erbschaft heimgefallenen Apanage der Grafschaft Lippe. Nach fünf vierter Jahren aber, da er wegen seiner Gottesfurcht, Tapferkeit und anderer höchst löblicher Tugenden, wenn das Zeitliche für etwas zu achten wäre, einer größeren Glückseligkeit und längerem Leben würdig gewesen, der Vergänglichkeit entrissen und zur Besitzung der himmlischen Krone berufen, indem er unvermählt und der letzte des lippe-brakischen Hauses den 21. Febr. 1709 im 29. Jahre seines Alters zu Wolfenbüttel sanft und selig verschieden. Diesem ihrem herzgeliebtesten, einzigem Schrie hat die durchlauchtige Fürstin und Frau Sophie Luise, gebohrene Prinzessin von Holstein, vermählte Gräfin von der Lippe zu unsterblichen und höchst verdienten Ehren gegenwärtiges Trauer- und Denkmal aufrichten lassen." (Rechtschreibung des besseren Verständnisses wegen geändert. Hier die Originalinschrift).

c) Bernhard Lampe

Epitaph des Bernhard Lampe von 1704

Ein rätselhaftes Epitaph befindet sich an der Ostwand des Nordschiffes. An keiner Stelle ist der Name des Verstorbenen vermerkt, dem das Denkmal gewidmet ist. Schon als Otto Preuß im Jahre 1881 seine Schrift über die "Baulichen Althertümer des Lippischen Landes" herausgab, war offenbar der Name in Vergessenheit geraten, denn Preuß erwähnt zwar das Epitaph in seiner Beschreibung der Braker Kirche, bringt es aber mit keiner Person in Verbindung. Dieses wäre jedoch sicherlich der Fall gewesen, wenn ihm der Name bekannt gewesen wäre.

Wappen am Epitaph

Wappen im Wappenbuch der Prediger

Dennoch gibt es einen Anhaltspunkt, der einen entscheidenden Hinweis auf die Person des Verstorbenen gibt: Ein Doppelwappen, das sich oberhalb des Hauptbildes befindet. Erfreulicherweise konnte jetzt zumindest das eine der beiden Wappen eindeutig identifiziert werden. Anhand von Akten des Staatsarchivs Bremen ergab sich, daß es sich um das Wappen der aus Bremen stammenden Kaufmannsfamilie Lampe handelt. Ein Mitglied dieser Familie läßt sich nun auch tatsächlich in Brake nachweisen, und zwar der 1676 erstmals hier erwähnte Bernhard Lampe. Am 19. Dezember 1676 wurde Bernhard Lampe zum Ephorus (Superintendent) vereidigt und als Lehrer der Grafenkinder am Braker Hof eingesetzt. Seit etwa 1679 bis zu seinem Tode 1703 war er Gräflicher Rat und Oberamtmann in Brake.

Bernhard Lampe wurde 1652 als dritter Sohn aus erster Ehe des Heinrich Lampe in Bremen geboren. Heinrich Lampe war seit 1673 einer der Führer der Bremer Kaufmannsgilde und wurde 1682 Ratmann. Bernhard schloss seine erste Ehe am 27.09.1692 mit Anna, geb. Ceuper, verwitwete von Rheden (* 07.08.1653, † 31.03.1700). Anna war die Tochter des Ratmanns Dr. Dethard Ceuper und Christina, geb. Varenholz.
Seine zweite Ehe schloss Bernhard am 31.05.1703 mit Tibeta Meier (* 11.11.1682, † Februar 1731), Tochter des Ratmanns Hermann Meier und Dorothea, geb. Köhne. Beide Ehen blieben kinderlos.
(Diese Informationen lieferte dankenswerterweise Herr Sven-Carsten Lampe, Ratsherrensippe-Bremen)

Über Lampes Tod berichtet das Kirchenbuch: "1703, den 18. Dezember hat dieses Zeitliche gesegnet der Wolledle hochgelehrte Herr Bernhardus Lampe Illustrissimi nostri hochansehnliche Rath und Oberamtmann hierselbst ist darauf d. 5.January 1704 in hiesiger Kirche des abends beigesetzt worden da den folgenden Tages die Leichenpredigt ex Ps. 3 V. 6 gehalten. Ich lige und schlaffe und erwache den der Herr erhält mich. Das Alter ist 51 Jahr 9 Monat".

Anlässlich seines Todes verfasste der Amtmann Ernst Casimir Wasserbach ein umfangreiches Trauergedicht, das in blumigen Worten die Verbundenheit und wohl auch tiefe Freundschaft beider zum Ausdruck bringt.

Trauergedicht für Bernhard Lampe

Titelseite des Trauergedichts für Bernhard Lampe

Das in seiner künstlerischen Qualität sehr ansprechende Epitaph gibt in seinem Hauptbild die Erweckung des Lazarus wieder. Um die im Mittelpunkt stehende Christusfigur sind zur Linken eine Personengruppe mit dem aus dem Grabe steigenden Lazarus und zur Rechten neben einigen Assistenzfiguren die beiden Schwestern Martha und Maria dargestellt. Ein Engelpaar über dieser Szene hält in der einen Hand ein Spruchband mit der entsprechenden Bibelstelle aus Johannes 11, Vers 43 u. 44 und mit der anderen das Wappen des Bernhard Lampe. Es stellt somit geschickt eine Beziehung zwischen dem Verstorbenen und dem biblischen Geschehen her.

In einer Kartusche unter dem Hauptbild sind zwei weitere Textstellen der Bibel in lateinischer Sprache angegeben. Aus 2. Korinther 5, Vers 1: "Denn wir wissen: wenn unser irdisch Haus, diese Hütte, zerbrochen wird, so haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel" und aus Hesekiel 24, Vers 17 "Heimlich darfst du seufzen, aber keine Totenklage halten". Mächtige Akanthusranken rahmen das Bildwerk ein, das von einem dreieckigen gesprengten Giebelaufsatz bekrönt wird.

Selbst in Details ist die Arbeit so lebhaft gestaltet, so daß anzunehmen ist, daß der Bildhauer ein überregional bedeutsamer Künstler gewesen ist. Vergleichende Nachforschungen brächten hier sicherlich noch Interessantes zutage.

d) Isabella von der Borch

Außer den drei bisher beschriebenen Epitaphien befand sich bis zum Jahre 1896 noch ein weiteres Grabdenkmal in der Kirche. Nach Otto Preuß war es "das der Isabella Gableau, Ehefrau Friedrichs von der Borch, mit dem Todesjahr derselben 1596 und einer Reihe Ahnenwappen". Über diese sehr karge Beschreibung hinaus können wir uns leider kein Bild vom Aussehen des Denkmals machen. Vielleicht aber ist ein mit reichem Beschlagwerk und zwei Wappenschildern verzierter Stein aus der Renaissancezeit, der 1961 bei Ausschachtungsarbeiten in der Kirche gefunden wurde, ein Überrest dieses Denkmals.

Stein mit Wappen und Beschlagwerk aus der Renaissancezeit

Isabella Gableau fand ihre letzte Ruhe in einer Gruft in der Kirche. Im Rechnungsbuch findet sich dafür als Beleg folgende, beiläufige Bemerkung: "1606: Dieweill das Gelt (18 Thaler) zum gekaufften Uhrwerke von den Kerspellßleuthen nicht hat können eingemahnet werden, ist dazu gethan von dem Gelte von Frid. von der Burgs Haußfrawen Begrebnuß 7 Thaler 17 1/2 gr." und vom Jahre 1607 der Eintrag: "Das Grab der von der Burgk, welches eingefallen, wieder gefüllet.". Die Kosten für die Grabstätte beliefen sich auf 24 Taler, doch hatte man offensichtlich Schwierigkeiten, das Geld einzutreiben, denn noch zwölf Jahre nach der Bestattung bemerkte der Rechnungsführer: "Die Pragischen zu arrestieren, wegen der 24 Thaler von der Begrebnuß Frid. von der Burgs Haußfrawen dem Procuratori 2 gr. und dem Fronen 1 1/2 gr."

Wappenfragment mit Inschrift S A M S L A G V E
Die Bedeutung des Steins und der Inschrift sind ungeklärt


Die Kirche im 18. und 19. Jahrhundert

Allmählicher Verfall

Auf die Blütezeit des 17. Jahrhunderts folgte mit dem Ende der Braker Herrschaft ein wirtschaftlicher Niedergang des Dorfes. Für so manche Familie, die einst durch den Grafenhof ihr gesichertes Auskommen gehabt hatte, brachen schwere Zeiten heran. Viele der alten Privilegien wurden vom neuen Herrn, dem in Detmold regierenden Grafen Friedrich Adolph, nicht mehr bestätigt, wodurch vor allem die kleinen Stätten der einstigen Hofdiener hart betroffen waren. Da sich bei der Detmolder Regierung ein zunehmender Geldmangel bemerkbar machte, versuchte sie, durch die Erteilung immer neuer Konzessionen für Schankwirtschaften oder kleine Ladenbetriebe, sich neue Einnahmequellen zu erschließen. Zuletzt war die gegenseitige Konkurrenz in dem kleinen Dorf so groß geworden, daß es mehr und mehr zu Zwangsversteigerungen und Verkäufen kam. Brakes Wirtschaftsleben war an einem Tiefpunkt angelangt.

Erst als im Jahre 1763 in Brake eine Tuchfabrik gegründet wurde, durch die den vielen verarmten Einwohnern neue Verdienstmöglichkeiten geschaffen wurden, besserte sich die Lage allmählich. Im Verlauf des 19.Jahrhunderts schließlich hat sich das Dorf zusehends von den harten Kriegszeiten erholt.

Von den Geldnöten jener Zeit war auch die Kirche betroffen. Zur Erhaltung des Gebäudes fehlten oft die finanziellen Mittel, und der Verfall des Gotteshauses schritt immer mehr voran. Blättert man die Akten der Kirche aus dem 18. Jahrhundert durch, so gewinnt man ein wahrhaft erschreckendes Bild vom baulichen Zustand des Gebäudes. Etliche Bittschreiben sandte der Pfarrer an den Grafen, um die dringend notwendigen Reparaturen durchführen zu können. Doch da die Gelder häufig nicht gleich bewilligt wurden, zögerte sich die Behebung der Schäden immer wieder hinaus. Im Jahre 1738 stellte der Maurermeister Koppisch eine Liste der Schäden auf. Es heißt darin u. a., daß der Hauptpfeiler im Fundament abgesunken sei, was zur Folge hätte, daß sich im Gewölbe ein großer Riß zeige. Koppisch führte dies auf die unmittelbare Nähe des Pfeilers zur gräflichen Gruft zurück, wodurch er nicht mehr genügend Halt hätte. Auch die Pfeiler an der Ostwand müssten von außen neu aufgemauert werden. Um den Gewölben mehr Halt zu geben, schlug er vor, sie an ihren Ansätzen an den Pfeilern mit eisernen Ankern und Holzbalken zu sichern.

Die Außentreppen zur gräflichen Prieche waren kaum noch begehbar. Das vom Dach abtropfende Regenwasser hatte sie morsch und brüchig gemacht. Besonders schlimm sah es an der Westseite des Turmes aus. Dort war das Mauerwerk so brüchig geworden, daß Koppisch es für notwendig befand, den Turm bis zur Hälfte neu aufzumauern. Im Jahre 1739 bittet der Pastor Johannes Straube erneut in einem Brief an den Grafen um finanzielle Unterstützung. Er beklagt hierin, daß das Kirchendach in einem sehr schlechten Zustand sei. Durch das einfallende Regenwasser hätten sich nun im Gewölbe Risse und Löcher gebildet und es sei zu befürchten, daß das ganze Gewölbe einstürze. Auch das Uhrwerk sei so in Mitleidenschaft gezogen worden, daß es ganz unbrauchbar geworden sei.

Selbst mit der Bestuhlung sah es nicht zum besten aus. Der Pastor Adolph Wessel berichtet 1769: "Da ich ... die Herrschaftl. Prieche mehr als einmal genau besehen, so habe gefunden, daß dieselbe einer Reparation sehr benötigst ist. Die Seite, wo die gnädigste Herrschaft selber stehen, ist schon würcklich durchgebogen."

Von all diesen Schäden wurden wahrscheinlich die wenigsten tatsächlich behoben. Zusehends verfiel das Gebäude, bis sich schließlich zu Anfang des 19.Jahrhunderts die Auswirkungen in aller Deutlichkeit zeigten. Im März des Jahres 1802 teilte Pastor Stockmeyer dem lippischen Konsistorium voll Sorge mit, daß sich im Turmgemäuer ein starker Riß und auf einer Seite ein starker "Ausbust" zeige. Zwar nahm daraufhin der Kammerassessor Gerke die Sache sofort in Augenschein, doch noch im August desselbe Jahres lag keine Entscheidung des Konsistoriums über eine Bewilligung von Gelde vor. Daß man in Detmold die Schäden offenbar gewaltig unterschätzt hatte, zeigte sic zwei Monate später. Am 5. Oktober 1802 mußte Stockmeyer berichten: "Hiermit zeige ich Hochfürstl. Consistorium an, daß die schadhafte Mauer unseres Kirchthurm vorgestern Nachmittag, ohne daß irgendiemand Schaden dabey genommen, eingestürtzt ist. Es war ein Glück, daß die Zimmerleute mit der Unterstützung des Glockenstuhls und der Thurmspitze fertig geworden waren, sonst würde dieser sicher mit heruntergestürzt sein, weil die Tragbalken auf der schadhaften Mauer lagen. Das Turmge wölbe ist ganz unverletzt geblieben. Da vor dem Winter die Mauer nicht wieder aufgeführt werden kann und darf, so hält es der Zimmermeister Kluckhuhn für nöthig, da die Öffnung ganz mit Dielen zugekleidet werde; zu diesem Behuf sollen in diese Woche 2 Eichen in unserm Kirchenholtze gefällt werden. So bald wie mögl. soll dies Bekleidung zustande kommen, um den Schaden, der durch Schlagregen oder durch einen, sich in dieser Jahreszeit leicht zu ereignenden Windsturm angerichtet werden könnte, möglichst zu verhüten."

Nun sollte man meinen, daß der Wiederaufbau der eingestürzten Westwand nicht lange auf sich warten ließ, denn schließlich konnte der Bretterverschlag nur eine Notlösung für die Wintermonate sein. Doch statt dessen kam es zunächst zu heftigen Meinungsverschiedenheiten zwischen Gerke und dem Braker Pfarrer. Während Stockmeyer der Ansicht war, es genüge, die Westseite bis zum Gewölbe neu aufzumauern und oberhalb des Gewölbes eine Fachwerkwand zu errichten, bestand Gerke unbedingt darauf, die ganze Wand massiv aus Bruchstein zu erstellen, da das Holz an der Westseite nach zwanzig Jahren verwittert sei. Über ein Jahr lang zog sich der Briefwechsel zwischen Detmold und Brake hin, bis endlich im Dezember 1803 mit der Arbeit begonnen werden konnte und der Bau nach den Vorschlägen Gerkes verwirklicht wurde.

Obgleich nun also derart umfangreiche Reparaturarbeiten an der Kirche durchgeführt worden waren, wird es angesichts der vielen unbehobenen Schäden inzwischen kaum noch überraschen, wenn der Baukonduktor Merkel im Jahre 1842 nach einer Überprüfung der Kirche über den Turm urteilte: Im Mauerwerk zeigen sich Risse und Borsten, so daß die Mauern ausweichen. Es müssten zwei Ankerbalken quer durch den Turm gelegt werden.

Die Kirche zu Brake, Bleistiftzeichnung von Carl Dewitz 1882

Erst bei der letzten Restaurierung des Gebäudes 1977/78 sind alle notwendigen Ausbesserungsarbeiten in fachgerechter Weise ausgeführt worden. Es bleibt zu hoffen, daß die Kirche für die Zukunft von solch folgenschweren Alterserscheinungen verschont bleibt.

Wenn auch die Braker Kirche während des 18. und des 19.Jahrhunderts ihr Gesicht im wesentlichen unverändert beibehalten hatte, so gab es doch hier und da kleine Neuerungen und Verbesserungen. Erwähnenswert ist vor allem die Aufstellung einer neuen Orgel. Nachdem die von der Gräfin Anna Amalia gestiftete Orgel einhundert Jahre lang den Gottesdienst begleitet hatte, war sie alt und unbrauchbar geworden. Sie wurde im Jahre 1769 durch ein neues Instrument aus der Werkstatt des Orgelbauers Stephan Heeren in Gottsbüren ersetzt. Auf einer alten Fotografie ist diese Orgel, die sich an der östlichen Mittelschiffswand befand, zu sehen.


Der Anbau des Südschiffs

Zum Ende des 19. Jahrhunderts schließlich genügte die Kirche den Ansprüchen des Dorfes nicht mehr. Die Einwohnerzahl des Ortes war inzwischen auf fast 3000 angestiegen. Besonders an den Festtagen erwies sich das Gebäude schon seit Jahren als zu klein für die Gemeinde. Man möchte von Glück sagen, daß das Kirchengebäude damals nicht, wie in vielen anderen Orten des Landes, abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt wurde. Die vielfach unzutreffenden Bauten im sogenannten neo-romanischen und neo-gotischen Stil gehen auf diese Zeit des Historismus zurück, während der man auf mittelalterliche Stilelemente zurückgriff und sie mehr oder weniger geschmackvoll abwandelte. Viele mittelalterliche Kirchen des Landes mußten damals dem neuen Kunststil weichen. Unserer Kirche jedenfalls blieb solch ein Schicksal erspart. Statt dessen beschloß der Kirchenvorstand im Jahre 1892, die Kirche nach Süden hin zu erweitern und das übrige Gebäude einer gründlichen Renovierung zu unterziehen.

Mit der Planung des Umbaues wurde der Salzufler Architekt Fritz Seiff beauftragt. Nachdem die von ihm angefertigten Zeichnungen vom Kirchenvorstand eingehend geprüft und notwendige Änderungen, insbesondere bei der Verteilung des Gestühls, vorgenommen worden waren, konnte am 19. März 1896 mit dem Bau begonnen werden. Der Grundstein, der sechs Tage später feierlich gelegt wurde, befindet sich an der Süd-Ost-Ecke des Südschiffes. Außen wie innen wurde das Südschiff genau dem vorhandenen Nordschiff angeglichen, so daß die Kirche wieder einen symmetrischen Grundriß erhielt. Als Vervollständigung konnte nun im Osten ein Chorraum angefügt werden. Dieser Anbau war zunächst in seiner Ausdehnung größer geplant, als er später zur Ausführung gekommenn ist. Die kurzfristige Planänderung war erforderlich, weil ein nahegelegenes Erbbegräbnis dem Bau sonst zum Opfer gefallen wäre, wogegen die noch lebenden Angehörigen heftigen Protest erhoben. Der Chorraum hat sich dann in späteren Zeiten auch immer wieder als zu klein erwiesen. Überdies muß man ihn in seiner Formgebung als mißglückt bezeichnen, denn der gedrungene Bau mit dem polygonalen Abschluß steht in keinem Verhältnis zu der großzügigen Aufteilung des übrigen Kirchenraumes.

Der Kostenvoranschlag für die gesamten Arbeiten, einschließlich einer neuen Orgel, belief sich auf 25 753,84 Reichsmark und setzte sich wie folgt zusammen:

Maurerarbeiten Gebr. Fr. u. Wilh. Carell, Brake 7 584,33 RM
Steinhauerarbeiten Fr. Pörtner, Lemgo 2 780,94 RM
Zimmerarbeiten Wilh. Dux, Hasebeck 2 273,53 RM
Klempnerarbeiten Chr. Bobenhausen, Lemgo 218,25 RM
Tischlerarbeiten D. Bödeker, Hasenbrede 3 319,12 RM
Schlosserarbeiten L. Rehme, Brake 171,40 RM
Schmiedearbeiten A. Burre, Brake 67,50 RM
Glaser- u. Malerarbeiten C. Steinmeyer Brake u. Fr. Schmitz, Wiembeck 1861,55 RM
Dachdeckerarbeiten Rohde, Salzuflen 2 977,22 RM
Orgel Fa. Klaßmeier, Kirchheide 4 500,00 RM

Nach Abschluß der Bauarbeiten war dieser Anschlag bei weitem überschritten. Die endgültige Summe betrug 35 563,99 RM.

Etwa die Hälfte der Kosten wurde durch Kirchenkapitalien und durch den Verkauf von Kirchenland bestritten. Der Rest von 16 775,00 RM mußte bei der Sparkasse Lemgo und bei der Armenkasse ausgeliehen werden.

Viele kleine, zum Teil auch schwerwiegende Veränderungen wurden während des Umbaues an der Kirche vorgenommen. Zunächst wurde der gesamte äußere Kalkputz abgeschlagen, so daß das alte Bruchsteingemäuer zutage trat. Zu jener Zeit des Historismus war so etwas keine Seltenheit. Um den geschichtlichen Charakter alter Gebäude noch zu steigem, griff man vielerorts zu derartigen Maßnahmen. Dazu muß jedoch bemerkt werden, daß mittelalterliche und auch neuzeitliche Gebäude in fast jedem Falle auf Verputz angelegt waren. Ein unverputztes Gebäude, bei dem die Bruchsteine sichtbar waren, wäre den Menschen früher wie ein unfertiger Rohbau vorgekommen. (Eine Ausnahme bilden allenfalls die Ziegelbauten Norddeutschlands.) Auch die Braker Kirche ist mit Sicherheit von Anfang an verputzt gewesen, was sich anhand von Rechnungen des 17. Jahrhunderts auch, zumindest für die neuzeitliche Geschichte, belegen läßt. Bei der letzten Renovierung ist dann die Kirche auch wieder mit einem weißen Kalkputz versehen worden. Im Innern der Kirche wurde der Fußboden um ca. einen halben Meter abgetragen, so daß der Raum an Höhe gewann. Bei dieser Gelegenheit stieß man auf die vielen Grabstätten, von denen bereits die Rede war. Das Gestühl der Kiche war 1896 so morsch, daß eine Reparatur nicht anfrage kam. So wurden sämtliche Bänke und auch die Emporen neu angefertigt, wobei noch brauchbare Teile der alten Bestuhlung mit verarbeitet wurden. Durch die Neugestaltung der Emporen konnten die Steintreppen, die zuvor als Zugang von außen dienten, abgebaut und die Eingänge vermauert werden.

Die Kanzel erhielt einen neuen Standort am Chorraum und war über eine Treppe von der kleinen Sakristei aus zugänglich.

Im nachhinein hat sich dieser Aufgang jedoch als unpraktisch erwiesen. In den folgenden Jahren wurde er deshalb wieder beseitigt und statt dessen eine Holztreppe vom Chor aus angebracht.

Der Platz für die Orgel war eigentlich im Chorraum vorgesehen. Doch nachdem man gezwungen war, ihn kleiner zu dimensionieren, reichte der Platz für eine Orgel nicht mehr aus. Es wurde daher beschlossen, sie auf einer Empore im Turm aufzustellen, ein wie Fachleute meinten - vom akustischen Gesichtspunkt betrachtet denkbar schlechter Standort.

Am 6. Dezember 1896 - dem Nikolaustag - fand die Einweihung der neuen Kirche statt. Obwohl durch die Vergrößerung rund 150 zusätzliche Sitzplätze geschaffen worden waren, war die Kirche beim Gottesdienst so überfüllt, daß mehr als 100 der erschienenen Besucher keinen Platz fanden und draußen vor den Türen stehen mußten. Nach der Weihe durch den General-Superintendenten Crede hielt Pastor Steinhagen die Predigt über das Bibelwort "Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt". Im Anschluß an den Gottesdienst fand eine gemeinsame Feierstunde mit dem Kirchenvorstand, den Lehrern der Gemeinde und ca. 80 Gemeindegliedern statt, während derer einander kräftig zugeprostet wurde.

Für das fertiggestellte Gotteshaus stiftete der Kaufmann Hackemack 100 RM für neue Kronleuchter, und weitere 300 RM erhielt die Kirche durch das Vermächtnis einer Braker Bürgerin. Von diesem Geld erwarb die Kirchengemeinde zwei große Leuchter, Nachbildungen karolingischer Leuchten, für das Mittelschiff und je zwei kleinere für die Seitenschiffe. Sie sind 1958 wieder entfernt und durch eine elektrische Beleuchtung ersetzt worden.

Ein kleiner Abendmahlskelch wurde von einem Ungenannten gestiftet, und die Leinenfabrik Karl Strunkmann in Bielefeld schenkte für den Abendmahlstisch ein kleines Leinentuch mit Motiven Leonardo da Vincis.

Die Kirche war nun soweit hergerichtet, daß der Gottesdienst wieder regelmäßig abgehalten werden konnte. Die Umbaumaßnahmen waren damit aber noch nicht vollständig abgeschlossen. Noch war der alte, mit Holzschindeln gedeckte Turmhelm dem Kirchenvorstand ein Dorn im Auge. Er wollte in seinem verkommenen Zustand so gar nicht zu dem schmucken neuen Gebäude passen. Außerdem hatten ihm Wind und Wetter derart zugesetzt, daß es an vielen Stellen durchregnete und die Dachbalken schon anfingen zu faulen. Die schlichten und gefälligen Formen des schlanken Barockhelms trafen offenbar nicht mehr den Geschmack der damaligen Zeit. So fand denn die übertriebene Formensprache des Historismus doch noch bei der Umgestaltung des Turmhelmes ihren Niederschlag, indem die Rundungen der drei Kuppeln möglichst markant herausgearbeitet wurden. War man beim Kirchengebäude noch einigermaßen sparsam mit überflüssigen Verzierungen umgegangen, so sollte wenigstens am Kirchturm, als weithin sichtbarer Blickfang, dem neuen Zeitgeist in aller Deutlichkeit Ausdruck verliehen werden. Statt des alten Schindeldaches, das sich als äußerst witterungsanfällig erwiesen hatte, entschied man sich bei dem neuen Helm für eine Schieferdeckung, um einen dauerhaften Schutz zu gewährleisten.

So konnte man nun mit einer gründlich renovierten und vergrößerten Kirche das alte Jahrhundert beenden und voller Optimismus ins 20. Jahrhundert schreiten.


Baumaßnahmen von 1900 bis 1978

Renovierungen und große Pläne

Ob den Brakern beim Jahrhundertwechsel das Vergnügen vergönnt war, die zwölf Glockenschläge der Kirchturmuhr zu zählen, muß als sehr zweifelhaft gelten. Seit fast dreihundert Jahren hatte die alte Uhr schon in einem Bretterverschlag oben im Turm ihren Dienst verrichtet und mit den Jahren so manche Reparatur über sich ergehen lassen müssen. Aber die Zeit war eben auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Schon oft hatte sich der Küster Winter darüber beschwert, daß die Uhr "nie für einige Dauer in einem richtigen Gang" gehalten werden konnte. Nach vielen vergeblichen Versuchen, das morsche Werk wieder einigermaßen instand zu setzen, legte schließlich der Kirchendeche Koch selbst Hand an die Sache. Das Ergebnis war im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternd. Er hatte einfach die Gewichtsstücke erschwert, so daß eines Sonntags morgens kurz vor dem zweiten Geläute ein Seil riß, und das Gewicht auf das Gewölbe stürzte. Glücklicherweise hielt das Gewölbe dem Aufschlag stand.

Das Uhrwerk von 1905

Endlich mußte der Kirchenvorstand einsehen, daß mit der alten Uhr nicht mehr viel anzufangen war. Zu sehr hatten die Jahrhunderte ihr zugesetzt. Im Jahre 1905 wurde daher eine neue Turmuhr bei der Firma Korfbage in Buer / Bez.Osnabrück in Auftrag gegeben. Einschließlich neuer Zifferblätter und zweler Schlagglocken beliefen sich die Kosten auf 2000 Mark. Die Ausgabe hat sich gelohnt. Bis heute hat die Uhr ihren Dienst nicht versagt. Allwöchentlich steigt der Küster die stellen Treppen zum Turm hinauf, um mit der großen Kurbel die schweren Gewichte aufzuziehen.

Im Jahre 1912 wurde die erste Heizungsanlage in der Kirche installiert. Um an den kalten Wintertagen etwas Wärme in das Gotteshaus zu bringen, hatte man bereits 1896 zwei schwere Öfen aufgestellt. Sie vermochten jedoch den großen Raum nur unzureichend zu heizen. Daher wurden sie schon wenige Jahre später wieder entfernt und durch eine Dampfheizungsanlage ersetzt. Für eine Endsumme von 1887 Mark übernahm die Firma Kaeferle in Hannover die Fertigungs- und Einbauarbeiten. Als Standort für den Heizkessel bot sich die unter dem Nordschiff gelegene alte Grafengruft an. Da die Erinnerung an das Grafenhaus schon seit langen Jahren verblaßt war, nahm man keine Rücksieht auf die zum Teil wertvollen Sarkophage, stapelte sie übereinander, um Platz zu gewinnen und vermauerte die Gruft. In dem verbliebenen Raum fand nun der Kessel Aufstellung. Bis 1961 war diese mit Kohlen beheizte Anlage in Betrieb.

Im Februar 1933 fand eine Besichtigung der Kirche durch den Landeskonservator statt. Nach einer eingehenden Überprüfung der Gegebenheiten riet er dringend dazu, den Innenraum mit einem neuen Anstrich zu versehen, da die farbige Gestaltung, die 1896 aufgebracht worden war, recht unglücklich gewählt und der Architektur des Raumes nicht angemessen sei. Für stilgerecht hielt er eine Bemalung in hellen Tönen, wobei ornamentale Zutaten nur sehr sparsam verwendet werden sollten.

Mit der Leitung der Ausmalungsarbeiten wurde Direktor Magnussen von der Malerschule in Lemgo beauftragt. Im waren schon von verschiedenen Orten die besten Zeugnisse für Kirchenausmalungen ausgestellt worden. So fiel der Kirchengemeinde die Wahl mit ihm nicht schwer.

Zusammen mit verschiedenen ansässigen Malermeistern fertigte er drei Vorentwürfe an, die dem Landeskonservator zur Begutachtung vorgelegt wurden. Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten einer hellen, ockerfarbigen Bemalung des Kirchenraumes. Auf dem breiten Gurtbogen zwischen Mittelschiff und Chorraum fanden zudem zwei bildliche Darstellungen (Kelch und Lamm Gottes) ihren Platz. Nach Abschluß de mehrwöchigen Arbeiten wurde die renovierte Kirche schließlich am 24.September 1933 mit einem Festgottesdienst wieder für die Gemeinde geöffnet.

Das große farbige Fenster des Chorraumes wurde der Kirche im darauffolgenden Jahr von der Braker Künstlerin Gertrud Sonntag (verh. Eichenmüller) gestiftet. Im Mittelpunkt des Bildwerkes steht eine Szene aus dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter

Die Figuren der Handlung entsprechen in ihrer Darstellung ganz dem Zeitgeschmack der Entstehungszeit des Bildes und erinnern denn auch stark an die markigen, muskulösen Germanengestalten, die in jener Epoche als Idealbild des deutschen Mannes galten. Im oberen und unteren Viertel des Fensters finden sich in symbolhafter Darstellung die vier Evangelisten, den Scheitelpunkt füllt eine den Geist Gottes verkörpernde Taube aus.

Noch vor dem Einbau des Fensters in die Braker Kirche wurde es in Nürnberg, dem damaligen Schaffensort der Künstlerin, in einer Ausstellung gezeigt, bei der es in Fachkreisen eine sehr gute Beurteilung erfahren hatte. Ein Professor von der Staatsschule für angewandte Kunst gelangte zu der "festen Überzeugung, daß diese Glasmalerei für die Kirche ein besonderes Schmuckstück von unvergänglichem künstlerischem Wert sein wird".

Im vorangegangenen Kapitel wurde bereits darauf hingewiesen, daß bei der Erweiterung des Gotteshauses im Jahre 1896 der Anbau des Chorraumes in bescheideneren Ausmaßen hatte erfolgen müssen, als die Planung es ursprünglich vorgesehen hatte. Dadurch sah man sich genötigt, als Standort für die Orgel den klangtechnisch ungünstigeren, aber weitaus geräumigeren Turmraum zu verwenden, obgleich ein Teil der gerade erst durch die Vergrößerung neu geschaffenen Sitzplätze damit wieder verloren ging. Neben dem Chor hatte sich auch der Anbau der Sakristei mit ihrer kaum 3 qm Grundfläche als sehr eng bemessen und unzureichend herausgestellt. All diese Mängel sollten im Jahre 1952 aufgrund eines Beschlusses des Kirchenvorstands mit einem gewagten Projekt ein für alle Male beseitigt werden. Die Planung sah vor, den alten Chorraum vollständig abzubrechen und statt dessen das mittlere Kirchenschiff um 9 Meter nach Osten hin zu verlängern. Der so geschaffene Raum sollte den neuen Chor bilden und Platz bieten für die Kirchenältesten und den Kirchenchor. Gleichzeitig war in dem Winkel zwischen dem geplanten Chor und dem Nordschiff der Neubau der Sakristei vorgesehen, der eine Größe von 5 in x 6 in besitzen sollte. Das Erdgeschoß sollte den Raum für die eigentliche Sakristei beherbergen, während in dem Stockwerk darüber technische Teile der Orgel untergebracht werden sollten. Die Orgel selbst hätte ihren Platz auf einer Auskragung an der östlichen Nordschiff-Wand gefunden und wäre somit "schwalbennestartig" in die Kirche hineingeragt, wovon man sich eine bessere Klangausbreitung versprach.

Da man den Charakter des Bauwerkes im wesentlichen beibehalten wollte, war beabsichtigt, die Anbauten soweit wie möglich der bestehenden Bausubstanz anzugleichen und sie darum ebenfalls in Bruchstein zu errichten. Auch die Form und die Neigung der Dächer sollte bei den Neubauten in Anlehnung an die vorhandenen Kirchendächer erfolgen, um ein einheitliches Gesamtbild zu erzielen. Die Planung, wie sie bis hierher beschrieben worden ist, wurde dem Kirchenvorstand im Mai 1952 von dem beauftragten Architekten zur Begutachtung vorgelegt. Um zu einer endgültigen Entscheidung über die Ausführung der Anbauten zu gelangen, wollte man jedoch noch zusätzlich einen Vorschlag des Staatshochbauamtes einholen. Doch der Antrag sollte sich schon bald als überflüssig erweisen. Noch bevor eine Antwort seitens der Behörde eingegangen war, wurde das gesamte Vorhaben kurzfristig aufgegeben. Das Protokoll vermerk hierüber lapidar: "Der Kirchenvorstand ist der Ansicht, daß der Bau eines Gemeinde auses mit kleiner Wohnung darin wichtiger ist, als die Lösung der Sakristeifrage durch einen teuren Umbau des Chorraumes der Kirche und beschließt daher, daß der Gemeindehausneubau gefördert werden soll".

Inneres der Kirche um 1950 mit Orgel der Fa.Klassmeier

So blieb dann doch alles beim alten. Die Pläne verschwanden in den Akten, und über eine weitere Vergrößerung der Kirche ist bis heute auch nicht wieder diskutiert worden. Wenn auch die damalige Planung recht vorsichtig und mit Rücksichtnahme auf die alte Bausubstanz durchgeführt wurde, so ständen doch aus heutiger Sicht erhebliche denkmalpflegerische Bedenken einem solchen Vorhaben entgegen. Die Braker Kirche stellt ein Baudenkmal dar und darf aus diesem Grunde konstruktiv nicht verändert werden. Ob und inwieweit andererseits die Erweiterung, wäre sie 1952 tatsächlich zur Durchführung gekommen, heute möglicherweise schon als erhaltenswert gegolten hätte, das mag dahingestellt bleiben.

Die nächste größere Baumaßnahme an der Braker Kirche war die Installation einer neuen Heizungsanlage im Jahre 1961. Fast siebzig Jahre lang war die alte Dampfheizung in Betrieb gewesen, nun machten sich deutliche Anzeichen von Altersschwäche bemerkbar. Im Dezember 1960 mußte der Bauausschuß feststellen, daß der Heizkessel so schadhaft sei, daß er voraussichtlich nur noch den kommenden Winter überdauern würde. Da wegen des Alters der Anlage eine Reparatur ohnehin nur einen Erfolg von kurzer Dauer versprach, wurde der Vorschlag gemacht, doch gleich eine neue Heizung anfertigen zu lassen und die Arbeiten dazu nach Möglichkeit schon zu Beginn des nächsten Jahres in Angriff zu nehmen.

Bei dieser Gelegenheit sollte auch zugleich die Grafengruft wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden. Ein Teil der Gruft hatte ja 1912 für die Aufstellung des Heizkessels herhalten müssen. Aufgrund der geringen Größe und der dort herrschenden Feuchtigkeit konnte dieser Platz für den neuen Kessel nicht mehr in Betracht gezogen werden. Unter dem Chorraum wurde daher ein ganz neuer Raum angelegt, der die Heizungsanlage aufnehmen sollte.

Bei den Ausschachtungen im Kirchenschiff stieß man ganz unverhofft auf eine verhältnismäßig große, gewölbte Grabstelle, die, wie bereits erläutert, mit großer Wahrscheinlichkeit als die ursprüngliche Gruft des Braker Grafenhauses angesehen werden muß. Der Aufbau der neuen Warmluftheizung war Anfang 1962 abgeschlossen. Fünfzehn Jahre später mußte sie einer Fußbodenheizung weichen, da sich herausgestellt hatte, daß die hohen Temperaturschwankungen und Luftfeuchtigkeitsänderungen, die sie in der Kirche hervorrief, sich nachteilig auf das Gestühl und vor allem auf die Orgel auswirkten.


Eine neue Orgel

Schon seit geraumer Zeit bereitete die Orgel der Gemeinde immer wieder Kummer. Während des Gottesdienstes kam es häufig vor, daß einige Pfeifen plötzlich von selbst zu tönen anfingen, so daß der Organistin nichts anderes übrig blieb, als die ganze Orgel abzustellen, um eine allzu große Störung der Andacht zu vermeiden. Außerdem waren viele der Pfeifen vom Holzwurm zerfressen und gar nicht mehr zu gebrauchen. Eine grundlegende Reparatur des Instrumentes war immer wieder hinausgeschoben worden, doch nun stand es außer Frage, daß die Orgel nicht mehr zu retten war. So mußte sich der Kirchenvorstand im Jahre 1962 dazu entschließen, den Bau einer neuen Orgel ins Gespräch zu bringen, wozu zunächst verschiedene Angebote eingeholt werden sollten. Nach eingehender Prüfung mehrerer Entwürfe wurde der Auftrag schließlich an die Orgelbaufirma Führer in Wilhelmshaven vergeben, die die Lieferung für 1965 zusagte. Bis dahin also mußte die alte Orgel noch halten. Aber das, woran man nicht zu denken gewagt hatte, trat endlich doch ein: Das alte Instrument gab seinen Geist auf und war unbespielbar geworden. Was sollte man machen? Drei Festgottesdienste standen vor der Tür: Konfirmation, Ostern und eine Übertragung des Gottesdienstes durch den Runkfunk. Es half also nichts, die Orgel mußte noch einmal einer Not-Reparatur unterzogen werden, wozu die Firma Führer sich bereit erklärte.

Bislang war noch keine Einigung über die Standort-Frage der neuen Orgel erlangt worden. Schon vorfahren hatte sich ja der Turmraum als ungeeignet erwiesen, und manches sprach dafür, daß das Instrument auf einer Empore im Nordschiff besser untergebracht wäre. Und auch 1896 hatte man nur deshalb in den Turm ausweichen müssen, weil der Chor nicht genügend Raum bot. Dieses Mal nun sollte das Instrument aber wirklich aus dem Turm verbannt werden. Als alternative Standorte boten sich auch jetzt wieder der Chor und das Nordschiff an, wobei sowohl vom Kirchenvorstand als auch von einem Sachverständigen der Orgelbaufirma dem Chorraum der Vorzug gegeben wurde. Zunächst hatte es auch den Anschein, als ob der Chorraum eine allgemein akzeptable Lösung darstellen würde, doch bald kamen die ersten Einwände gegen diesen Standort. Es stellte sich nämlich heraus, daß der Fußboden im Chor, unter dem sich der Helzraum befindet, das Gewicht der Orgel gar nicht tragen würde. Es hätten deshalb vor der Aufstellung entsprechende Träger eingezogen werden müssen, um dem Boden Halt zu geben. Darüber hinaus erhoben die Sachverständigen den Einwand, daß die Orgel, würde sie im Chor plaziert, zu sehr in den Vordergrund treten würde. Die Kirche bekäme somit den Charakter einer "Orgel-Kirche" statt einer"Kanzel-Kirche", was nicht wünschenswert sei. Nach einer eingehenden Erörterung der Frage entschied sich der Kirchenvorstand letztendlich doch dazu, das neue Instrument wieder im Turm aufstellen zu lassen.

Im August 1967 konnte die Orgel endlich geliefert und aufgestellt werden. Am 15. Oktober wurde sie der Gemeinde in einem feierlichen Gottesdienst übergeben.

Viele Konzerte sind seitdem in der Kirche mit der Orgel veranstaltet worden. Hoffen wir, daß uns diese"Königin der Instrumente", der Experten hervorragende Klangeigenschaften bescheinigen, noch lange Zeit Freude bereiten wird.


Die jüngste Restaurierung

Eine gründliche Renovierung der Kirche - das schwebte der Kirchengemeinde schon seit Beginn der siebziger Jahre vor Augen. Vor allem eine Erneuerung der Türen und Fenster, eine neue Bestuhlung und eine frische Ausmalung des Innenraumes waren die vordringlichsten Ziele, die man sich gesteckt hatte. Daß aus diesen Plänen einmal die (bis jetzt) umfangreichsten Restaurierungsarbeiten unseres Jahrhunderts werden sollten, das hatte sich allerdings zu Anfang niemand vorstellen können.

Die Umbauarbeiten in der Kirche 1977

Was sich bei der Begutachtung der Bausubstanz herausstellte, gab nicht gerade Anlaß zum Jubeln. Am Mauerwerk des Turmes zeigten sich deutliche Risse, die zur Besorgnis Anlaß gaben und unbedingt ausgebessert werden mußten. Überdies machten sich an fast allen Seiten der Kirche schädigende Umwelteinflüsse in teilweise erschreckendem Umfang bemerkbar, durch die der weiche Sandstein angegriffen und stellenweise schon arg zerfallen war. Die im Mauerwerk aufsteigende Feuchtigkeit tat ihr übriges.

Nicht besser sah es im Innenraum aus. An einigen Gewölben klafften tiefe Risse. Es war nicht abzusehen, wie lange sie den Eigendruck noch aushalten würden. Einige dieser Schäden sollten uns schon bekannt sein. Bereits 1738 hatte Maurermeister Koppisch in einem Bericht an den Pfarrer auf diese Mängel hingewiesen und dringend um Abhilfe geraten. Erst jetzt, fast 240 Jahre später, war die Zeit gekommen, sie zu beheben und somit das Schlimmste noch rechtzeitig abzuwenden.

Um das Mauerwerk der Kirche vor weiterem Verfall zu schützen, mußte es von schädigenden Umwelteinflüssen abgeschirmt werden. Hierzu standen prinzipiell zwei unterschiedliche Verfahren zur Auswahl. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, den Stein gründlich zu reinigen und anschließend auf chemischem Wege zu konservieren. Dadurch wäre der Kirche ihr Bruchsteingesicht erhalten geblieben. Diese Methode der chemischen Konservierung hätte jedoch alle fünf Jahre wiederholt werden müssen, wodurch zum einen nicht unerhebliche Kosten entstanden wären und zum anderen die Kirche immer wieder aufs neue hätte eingerostet werden müssen. Daher wurde von diesem Verfahren auch rasch wieder Abstand genommen und auf die zweite Möglichkeit zürückgegriffen - die Kirche zu verputzen. Diese Entscheidung führte bei den Brakem verständlicherweise zunächst zu heftigen Kontroversen. Der Anblick des alten Gemäuers hinter den hohen Birken war ihnen lieb und vertraut geworden, diesen Mauern konnte man die Jahrhunderte ansehen, die sie hinter sich gebracht hatten, zu ihnen konnte man voller Ehrfurcht hinaufblicken. Und das alles sollte nun unter einem weißen Verputz verschwinden - das würde ja eine ganz andere Kirche werden. Die Argumente hatten sicherlich ihre Berechtigung, doch die Maßnahme war unumgänglich geworden. Zu sehr hatten Abgase und andere Umweltgifte dem Stein zugesetzt, so daß nur noch ein Kalkputz eine langfristige Rettung der Mauern versprach. Zudem bekam die Kirche schließlich auch kein ganz neues Gewand, sondern genau genommen, erhielt sie nur ihr altes, das sie 1896 hatte einbüßen müssen, zurück. Als dann das Gotteshaus endlich in seinem frischen Weiß erstrahlte, verstummten auch allmählich die letzten Stimmen, die sich noch gegen einen Verputz gewandt hatten.

Inneres der Kirche nach Nord-Ost

Nicht weniger durchgreifend war die Renovierung im Innenraum. Auch hier galt es, zunächst die Bausubstanz zu sichern, bevor mit den Verschönerungsarbeiten begonnen werden konnte. Die Pfeiler, auf denen die Gewölbe ruhen, waren offenbar im Laufe der Zeit allmählich abgesackt, was zu der Riß-Bildung in den Gewölben geführt hatte. Um ihnen den nötigen Halt zu geben, wurden die Pfeilersockel ringsum einbetoniert, gleichzeitig wurden die schadhaften Gewölbekappen mittels hydraulischer Vorrichtungen angehoben und die Risse verkeilt. Nach Abschluß dieser Vorarbeiten konnte mit dem Einbau einer neuen Heizung begonnen werden. Zwar erfüllte die gerade fünfzehn Jahre alte Warmluftheizung noch immer getreulich ihre Aufgabe, es hatte sich jedoch herausgestellt, daß sie während der Heizperiode die Luft des Raumes zu sehr austrocknete und verschmutzte, so daß alle in der Kirche befindlichen hölzernen Teile Schaden zu nehmen drohten. Besonders bei der gegenüber Feuchtigkeitsschwankungen sehr anfälligen Orgel hätte das auf die Dauer zu irreparablen Schäden führen können. Nach Ansicht des Landeskonservators konnte nur eine Fußbodenheizung geeignete Abhilfe schaffen. Das also war die nächste Überraschung für den Kirchenvorstand. Nach den unvorhergesehenen Reparaturen am Gewölbe und an der Turmwand sowie dem nicht eingeplanten Verputzen des Gebäudes nun auch noch eine neue Heizung! Aber die vorgebrachten Argumente waren einleuchtend. Wenn man nun schon einmal beim Bauen war, so war es doch das vernünftigste, gleich alle Mängel zu beheben. So erhielt dann die Kirche ihre vierte Heizung innerhalb von achtzig Jahren.

Die Hauptanliegen der Kirchengemeinde aber waren nach wie vor der Austausch der alten Fenster und Bänke sowie ein frischer Innenanstrich. Acht Jahrzehnte hatten die farbigen, in Blei gefaßten Fenster schon hinter sich gebracht. Nun war das Rahmenholz morsch und unansehnlich geworden. Von den kleinen Scheiben waren viele gesprungen, manche gar nicht mehr vorhanden. Da der Kirchenraum nach der Renovierung heller und freundlicher wirken sollte, wurde bei den neuen Fenstern auf farbiges Glas verzichtet, um den Lichteintritt zu vergrößern. Durch die rahmenlose Bauweise der bleiverglasten Scheiben konnte die Helligkeit zusätzlich noch erhöht werden, so daß der Raum heute wesentlich großzügiger und einladender erscheint.

Auch an den eichenen Kirchenbänken war die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Das Holz hatte sich vielfach arg verzogen, und an einigen Bänken nagte schon der Wurm. Mancher mag es damals bedauert haben, daß die alten Bänke, auf denen schon seine Vorfahren dem Gottesdienst gelauscht hatten, aus der Kirche verschwinden sollten. Der eine oder andere alte Braker beanspruchte auch seinen festen Platz in der Kirche, selbst wenn er natürlich nicht, wie in früheren Zeiten, einen rechtlichen Anspruch darauf hatte. Aber so war es nun einmal Tradition, und die würde nun mit dem Abbau der Bänke endgültig verloren gehen. Von einem inzwischen verstorbenen Brakerwird sogar berichtet, daß er den Gottesdienst nicht mehr besuchte, seit sein angestammter Platz wegen Umbauarbeiten aus der Kirche entfernt worden war, das geschah im Jahre 1969! Nun - diese Zeiten sind wohl heute vorbei. Wer sich schließlich gar nicht von den alten Bänken trennen konnte, dem war die Möglichkeit gegeben, eines der ausgedienten Stücke beim öffentlichen Verkauf des Gestühls auf dem Kirchhof zu erwerben.

Mit den neuen Bänken hat sich auch die Sitzordnung in der Kirche geändert. Der Mittelgang fiel fort und wurde mit durchgehenden Bankreihen überbaut. Die Gänge in den Seitenschiffen blieben erhalten, wurden jedoch näher zum Mittelschiff hin verlegt. Die langen, geradlinigen Treppen zu den Emporen wurden abgebaut und durch unauffälligere, gewinkelte Aufgänge ersetzt. Eigentlich hatte man sich der Emporen ja ganz entledigen wollen, um der Weite des Raumes in vollem Maße Geltung zu verschaffen. So jedenfalls hatte es der Kirchenvorstand im Januar 1978 beschlossen. Doch was ist schon ein Vorstandsbeschluß gegenüber den Auflagen des Denkmalamtes? Als der Landeskonservator von den Plänen der Gemeinde hörte, erhob er sofort heftigen Protest gegen das Vorhaben und erklärte, daß die Emporen unter gar keinen Umständen abgebaut werden dürften. Nach seinen Ausführungen ist die Kirche in ihrer jetzigen Form angelegt als eine calvinistische Predigtstätte, wie sie in der Renaissancezeit ihre Ausprägung erfahren hat und die vom Architektonischen her Emporen erforderlich macht. Der Versuch, durch den Ausbau der Emporen dem Raum wieder ein mittelalterliches Gepräge zu geben, ist verfehlt - die Kirche ist nun einmal keine vorreformatorische Kultstätte mehr. So mußte denn der Kirchenvorstand von seinem Beschluß wieder Abstand nehmen - die Emporen blieben erhalten. Die Entscheidung ist sicher zu begrüßen, denn immerhin sind sie nun die letzten Relikte der Innenausstattung von 1896. Wenn sie auch selten Verwendung finden, so sind sie doch Zeugen einer Zeit, in der der sonntägliche Kirchgang noch als Selbstverständlichkeit galt.

Die Frage, welchen Farbton die konstruktiven Teile (Pfeiler und Entlastungsbögen) erhalten sollten, um sie wirkungsvoll von den weißen "Füllflächen" (Wände und Gewölbekappen) abzuheben und damit ihren Gerüstcharakter zu verdeutlichen, war lange Zeit noch offen geblieben. Eine ganze Palette von Farben, vom Blaugrau bis zum Hellbeige, stand zur Auswahl. Nachdem der Restaurator all die vielen Farbschichten freigelegt hatte, die an den Pfeilern durch immer wieder erneute Übermalungen erhalten geblieben waren und sich als untere Schicht ein graues Steinmuster zu erkennen gab, war für das Denkmalamt die Entscheidung gefallen. Dieser Farbton, der auf die Zeit des Erweiterungsbaues von 1660 zu datieren war, sollte nun auch für die Pfeiler der restaurierten Kirche verwendet werden. Das ausgemalte Steinmuster wurde ebenfalls übernommen, denn in der Renaissance- und der Barockzeit entsprach es dem Zeitgeschmack, auch den behauenen Stein zu übertünchen und die Linien farblich zu betonen. Dabei kam es nicht darauf an, den Naturstein einfach zu imitieren, man nahm sich lediglich die Natur zum Vorbild, um sie künstlerisch zu überhöhen. Durch die Betonung der Linien wird der Raum gegliedert, alle Bauteile werden zu einer harmonischen Einheit zusammengefaßt, und das Auge verliert nicht die Orientierung. Gerade bei der klaren und symmetrischen Aufteilung der Braker Kirche wird so der Weite des Raumes Ausdruck verliehen, ohne daß der Mensch sich in ihr verloren vorkommt. Nicht allein die Architektur ist also für die Raumwirkung entscheidend, maßgebend ist letztlich auch die Vervollkommnung ihrer Plastizität durch die Hand des Malers.

Zur Renovierung der Kirche gehörte auch die Installation neuer Beleuchtungskörper. Die grünen "Lichttöpfe" an den Pfeilern störten nach Ansicht des Konservators zu sehr das archltektonische Gesamtbild des Raumes. Sie wurden durch unauffälligere, hängende Strahler ersetzt. Der Einbau einer elektrischen Beleuchtung in ein historisches Gebäude bringt die Planer jedes Mal in eine gewisse Verlegenheit, denn natürlich waren Glühlampen für einen mittelalterlichen Bau nicht vorgesehen. Man kannte nur Kerzenlicht, durch das der Raum in ein mystisches Halbdunkel getaucht wurde. Im Mittelschiff hing noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts ein schwerer, bronzener Leuchter. Außerdem befanden sich an den Rückenlehnen der Kirchenbänke runde Bohrungen, die ebenfalls Kerzen aufnehmen konnten. Wenn in unseren Zeiten am Heiligabend beim traditionellen "Stille Nacht" das Licht gelöscht und nur zum Schein der Kerzen gesungen wird, bekommt man eine Vorstellung davon, welche Atmosphäre früher während des Gottesdienstes geherrscht haben muß. Wenn auch die elektrische Beleuchtung heute aus der Kirche fast nicht mehr wegzudenken ist, so mochte man doch nicht ganz auf das anheimelnde Leuchten der Kerzen verzichten. Mit Hilfe der Spenden vieler Gemeindeglieder wurde der Kauf eines neuen Kronleuchters ermöglicht, der im Mittelschiff seinen Platz gefunden hat. Diese sogenannte LübeckerWinkelarmkrone ist eine originalgetreue Nachbildung eines Renaissance-Leuchters aus der Mitte des 16.Jahrhunderts.

Es gab wohl nichts in der Kirche, was nicht einer gründlichen Restaurierung unterzogen wurde. Auch die Kanzel und die Epitaphien wurden sorgfältig gereinigt und instandgesetzt.

Bei der Wiederherstellung der Kanzel entfernten die Restauratoren vorsichtig die Farbschichten vergangener Jahrhunderte und legten das alte Eichenholz frei. Es stellte sich dabei heraus, daß die Kanzel zur Barockzeit mit einem elfenbeinfarbenen Anstrich versehen war, die Ornamente waren zum Teil vergoldet. Später, vermutlich im Verlauf des vorigen Jahrhunderts, war sie dann in einem dunklen Braunton übermalt worden. Die Abtragung der alten Farben kam vor allem dem zierlichen Schnitzwerk zugute, bei dem die feinen Strukuren nun wieder deutlich zu erkennen sind.

Als optisches Gegenstück zur Kanzel erhielt das Denkmal des Bernhard Lampe, das ursprünglich am nördlichen Pfeiler befestigt war, seinen neuen Platz an der östlichen Nordschiff-Wand.

Nach einer Umbauzeit von 57 Wochen konnte endlich Einzug gehalten werden in das renovierte Gotteshaus. Im Rahmen eines Festgottesdienstes nahm die Gemeinde am 25. Juni 1978 ihre Kirche wieder dankbar in Empfang. Über ein Jahr lang war sie Gast der katholischen Kirche in Brake gewesen. Nun war der Tag gekommen, auf den man so lange hatte warten müssen. Nach einigen einleitenden Worten des Architekten Fritz Brand stimmte der Kirchenchor das Lied "Jauchzt alle Lande, Gott zu Ehren" an. Im Anschluß an den Choral "Macht hoch die Tür", der 1623 von Georg Wessel anläßlich einer Kircheneinweihung gedichtet wurde, hielt Landessuperintendent Dr. Fritz Viering die Predigt über den 26. Psalm: "Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt". Bürgermeister Reinhard Wilmbusse gab in seinem Grußwort dem Wunsch Ausdruck, die Braker Kirche möge nicht nur der geographische, sondern auch der geistige Mittelpunkt des Dorfes im Sinne einer echten Solidarität mit der Bürgergemeinde bleiben. Nach Beendigung des Gottesdienstes wurde auf dem Kirchhof die Feier fortgesetzt. Zu den fröhlichen Weisen des Braker Posaunenchores wurden Bratwurst und Getränke gereicht, die sich die zahlreichen Besucher gut schmecken ließen. Pastor Horenkamp überbrachte die Grüße der katholischen Gemeinde, und Superintendent Kurt Scheulen sprach im Namen der Nachbargemeinden die besten Segenswünsche aus. So fand ein weiteres Kapitel in der Baugeschichte der Braker Kirche seinen Abschluß. Es wird sicher nicht das letzte gewesen sein, aber es war ein bedeutendes. Rund dreißig Generationen haben daran gearbeitet, der Kirche ihr unverwechselbares Gepräge zu geben. Sie alle haben ihre Spuren hinterlassen, wie auch die Vorstellungen unserer heutigen Zeit nun in den Bau mit eingeflossen sind. Wenn es dieses Mal im großen und ganzen auch Maßnahmen waren, die der Rekonstruktion von Vorstellungen früherer Jahrhunderte gedient haben, so zeigt es doch, daß wir wieder mehr Ehrfurcht gegenüber den baulichen Leistungen längst vergangener Epochen bekommen haben.

1200 1660 2000

Bauphasen der Braker Kirche


Der Ertrag der Grabungen

Die Gruften

Bei der Renovierung der Kirche in den Jahren 1977/78 trat so manches zutage, das bis dahin unter dem Fußboden verborgen lag oder bislang keine besondere Beachtung gefunden hatte. Da von seiten des Denkmalamtes eine systematische Grabung nicht vorgesehen war, - es gab keine Hinweise, die für die Existenz eines Vorgängerbaus der Kirche sprachen - machten wir uns selbst an die Arbeit, um die letzten Reste aus alter Zeit aufzudecken und zu dokumentieren. Nachdem die Bauarbeiter den Bodenbelag entfernt hatten und der Untergrund um etwa 40 cm ausgehoben war, zeichneten sich deutlich die Umrisse von Grabstätten ab, die offenbar im gesamten Mittel-und Nordschiff angelegt worden waren. Wir säuberten zunächst die Mauern an der Oberfläche, um sie genau vermessen zu können. An manchen Stellen, vor allem in der Südostecke des Mittelschiffes, war der Untergrund durch den Einbau alter Heizungsanlagen bereits so sehr gestört, daß sich hier keine Gruften mehr nachweisen ließen. Im hinteren Turmraum stand die Orgel weiteren Nachgrabungen im Wege. Ansonsten stellten wir im Mittelschiff acht Gruften und im Nordschiff, außer der bekannten Grafengruft, zwei weitere Grabstellen fest.

Um uns ein Bild über die senkrechten Ausmaße der Gräber zu verschaffen, hoben wir unter tatkräftiger Mithilfe des Küsters Teich eine Gruft bis auf den Grund aus. In einer Tiefe von 1,80 in, gemessen vom Niveau des heutigen Fußbodens, war der gewachsene Boden erreicht. Bedenkt man, daß bis 1896 der Fußboden ca. 50 cm über dem heutigen Niveau gelegen hat, so ergibt sich eine Tiefe der Gruft von 2,30 in.

Die Mauern der Grabstätten waren mit roten Ziegeln gemauert und trugen auf ihrer Innenseite einen weißen Kalkputz. Nachdem der Sarg hinabgelassen war, wurde in einigen Fällen das Grab mit einer schweren Sandsteinplatte verschlossen, die den Namen des Verstorbenen nebst einem Leichentext trug. Andere Gräber wurden, wohl um die Verwesung zu beschleunigen, sogleich wieder mit Erde angefüllt. Darauf lassen verschiedene Eintragungen in alten Kirchenrechnungen schließen: "Ein eingesuncken Grab in der Kirchen wieder eben gemacht ... und mit Steinen übergesetzt". Bei einem Einzelgrab im Turmraum konnten überdies die Ansätze eines Tonnengewölbes nachgewiesen werden. Diese Art der Grabversiegelung ist allerdings bei den kleinen Grabstellen als Ausnahme anzusehen.

Nicht geklärt werden konnte bislang die Funktion einer 70 cm breiten Bruchsteinmauer, die in Nord-Süd-Richtung quer durch das Mittelschiff verlief. Da uns aus Zeitmangel hier eine Grabung leider versagt blieb, konnte nicht untersucht werden, wie tief die Mauer ins Erdreich hinunter reichte und inwieweit sie mit den Fundamenten der Kirche in Ve rbindung stand. Es ist nicht anzunehmen, daß sie in direktem Zusammenhang mit den aufgefundenen Gruften zu sehen ist, denn warum hätte man an dieser Stelle eine relativ starke Bruchsteinmauer errichten sollen, wo doch sonst die Seitenwände nur aus schwachen Ziegelwänden bestehen? War die Mauer vielleicht Teil einer ehemaligen großen Gruft, die auf der gesamten Breite des Mittelschiffes angelegt worden war? Oder diente sie als Fundament für die Empore, die sich ehemals in der noch einschiffigen Kirche befunden hatte? Sind in ihr möglicherweise sogar - auch das kann nicht restlos ausgeschlossen werden - die Spuren eines älteren Vorgängerbaues der jetzigen Kirche zu sehen? Die Fragen müssen unbeantwortet bleiben. Nur eine systematische Grabung hätte hierüber genauere Aufschlüsse erbringen können. Doch die wird vermutlich für alle Zeiten undurchführbar bleiben. Durch eine eingegossene Betonsohle sind die alten Gruften nun dauerhaft versiegelt worden.


Unvermutetes auf den Gewölben

Oben unter dem Dach hatten sich auf den Gewölben im Laufe der Jahrhunderte enorme Mengen an Gesteinsschutt und Staub angesammelt, die zum größten Teil von den verschiedenen Umbauten an der Kirche herrührten. Die Gewölbe sollten nun freigelegt werden, um sie auf das Ausmaß der beobachteten Schäden hin untersuchen zu können und sie außerdem von dem dadurch auf sie lastenden Druck zu befreien. Da auch dieser Bauschutt Hinweise zur Geschichte der Kirche liefern konnte, erschien es uns ratsam, ihn vor dem Abraum etwas genauer zu untersuchen. Für eine kleine Grabung wählten wir zunächst das Gewölbe des Turmes, da die Schuttmassen hier am mächtigsten waren. Nachdem wir in der südöstlichen Turmecke bis auf gemauerten Steinverbund hinuntergegraben hatten, ergab sich in der Ansicht des Schnittes folgendes Bild: Die untere Lage bestand aus einer dicken Schicht loser Bruchsteine und großer Mengen von Mörtel. Darüber folgte eine sehr dünne Schicht rötlicher Asche und über dieser eine etwas dickere Lage Holzkohle. Die vierte Schicht bestand wiederum aus losen Steinen und Mörtel, und die darauffolgende aus getrockneten Pflanzenresten. Die obere, wieder relativ dicke Schicht, beinhaltete Steine und Mörtel, geringe Mengen von pflanzlichem Material sowie eine große Anzahl roter Dachziegel des Typs "Mönch und Nonne". Diese Ziegelform stellt eine sehr alte Art der Dachdeckung dar und ist bislang an der Braker Kirche nicht nachgewiesen worden. Aus der vorgefundenen Schichten folge Rückschlüsse auf die Baugeschichte der Kirche zu ziehen, ist nicht unproblematisch. Um exaktere Angaben über den Inhalt der Schichten zu erlangen, hätte sicherlich großflächiger gearbeitet werden müssen. Zudem versäumten wir es damals leider, die Lagen genau zu vermessen, was für eine richtige Interpretation von entscheidender Bedeutung sein kann. Trotzdem können die Befunde nicht unbeachtet bleiben, auch wenn jeder Versuch einer Auswertung nur den Charakter des Möglichen tragen kann. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß sich die erwähnten Schichten nur auf dem Gewölbe des Turmes und dort auch lediglich im östlichen Bereich nachweisen ließen. Auf den Gewölben des Mittelschiffes waren nur an einer Stelle im westlichen Gewölbequadrat Teile der Schichten erhalten, im Nord- und Südschiff fehlten sie ganz. Für diesen Umstand läßt sich eine leichte Erklärung finden. Im Jahre 1802 stürzte bekanntlich ein Teil der westlichen Turmwand ein. Es ist als wahrscheinlich anzusehen, daß bei diesem Ereignis die Ablagerungen auf dem westlichen Teil des Gewölbes verlorengegangen sind. Ahnlich dürfte der Fall beim Mittelschiff liegen. Hier ist im Zusammenhang mit den Anbauten des Nord- und Südschiffes so viel durcheinander geraten, daß sich die Schichten nur zu einem geringen Teil erhalten konnten. Dennoch waren sie stellenweise eindeutig nachweisbar. Keine Spuren der Schichten wurden hingegen im Nordschiff aufgefunden. Unserer Ansicht nach läßt dieser Tatbestand nur den Schluß zu, daß die meisten der genannten Ablagerungen des Turmes und des Mittelschiffes aus der Zeit vor 1660 stammen. Wie sonst wäre es zu erklären, daß im Nordschiff ein vergleichbarer Befund nicht vorlag? Zumindest teilweise hätten sich sonst auch hier die Schichten nachweisen lassen müssen. Wir möchten daher von der Vermutung ausgehen, daß die Schichten in eine Zeit zu datieren sind, die vor Errichtung des nördlichen Seitenschiffes liegt.

Schichtenfolge auf dem Gewölbe des Turms

Betrachten wir nun die Schichten im einzelnen. Bei der zu unterst liegenden Verfüllung aus Steinen und Mörtel ist am ehesten an Bauschutt zu denken, der während des Baues der Kirche oder einer ersten, größeren Reparatur anfiel. Naturgemäß sammelten sich in den Gewölbezwickeln überschüssiger Mörtel und abgeschlagene Gesteinsstücke beim Einpassen der Bruchsteine rasch an. Vergleichbarer Gesteinsschutt fand sich auch auf den Gewölben des Nord- und Südschiffes. Dort stammte er unzweifelhaft aus der Zeit des jeweiligen Anbaues.

Interessanter und bedeutsamer sind die beiden folgenden Schichten aus Asche und verkohltem Holz. Unweigerlich drängt sich der Gedanke an eine Zerstörung der Kirche durch einen Brand auf. Wir erinnern uns, daß irgendwann zwischen der Zeit der Errichtung der Kirche und dem Jahre 1660 das Dach des Mittelschiffes komplett neu errichtet wurde. Es wäre infolgedessen immerhin denkbar, daß die Dächer des Turmes und des Mittelschiffes einem Brand zum Opfer fielen und sie deshalb von Grund auf erneuert werden mußten. Als Ursache hierfür könnte eventuell eine der Fehden des 15.Jahrhunderts in Frage kommen. Im Schadensverzeichnis der Eversteinschen Fehde (1404-1409), bei der viele lippische Orte verwüstet wurden, wird das Dorf Brake zwar nicht erwähnt, doch die Soester Fehde (1447) war nicht weniger verheerend. Eine zeitgenössische Chronik berichtet über den Kriegszug des Kölner Erzbischofs: "Mit all diesem Volke zog er vor den Blomberg und vor Detmold, gewann sie und plünderte und verbrannte sie, und weiter alle Schlösser, Dörfer, Kirchen, Klöster und Klausen vertilgte er bis in den Grund und Boden". Sollte vielleicht auch die Braker Kirche von den böhmischen Söldnern in Brand gesteckt worden sein? Zumindest die Burg Brake ging unter ihren Händen in Flammen auf. Es ist nicht auszuschließen, daß auch das naheliegende Dorf in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die vorgefundene Brandschicht auf dem Kirchengewölbe hiermit in Verbindung zu bringen, liegt deshalb nahe, kann allerdings letztlich nichts anderes als eine Vermutung bleiben.

Die über der Brandschicht liegenden Bruchsteine und Mörtelspuren lassen auf erneute Baumaßnahmen schließen, möglicherweise auf eine Reparatur der Kirche nach dem Brand.

Keine so leichte Deutung läßt sich für die nächstfolgende Schicht aus pflanzlichem Material - vornehmlich Stroh - finden. Auf den ersten Blick scheint eine Eintragung in die Kirchenrechnungen eine Erklärung für das Stroh zu liefern. Als im Dezember 1660 ein schwerer Sturm über unser Land hinwegfegte, riß er den Turmhelm mit sich und warf ihn auf das Kirchendach, das dabei schwer zu Schaden kam. Da es Winter war und schnellstens eine notdürftige Reparatur erfolgen mußte, wurde "das Dach auf der Kirche durch 2 Menner mit Stroh behangen". Da hier also ausdrücklich von Stroh die Rede ist, das am Kirchendach verwandt wurde, liegt es nahe, anzunehmen, daß das vorgefundene Stroh auf diese Reparaturarbeiten zurückzuführen ist. Doch der These stehen zwei Schwierigkeiten im Wege. Zum einen fand sich die Strohlage nur auf den Gewölben des Mittelschiffes und des Turmes, nicht aber auf denen des Nordschiffes, dessen Dach ja ebenfalls stark beschädigt worden war und geflickt werden mußte. Weitaus gewichtiger ist jedoch die Tatsache, daß sich über dem Stroh in der oberen Schicht große Mengen von Dachziegeln befanden, von denen gleichfalls im Nordschiff keine Spuren vorhanden waren. Nun wird aber anhand der Kirchenrechnungen urkundlich belegt, daß nach dem großen Sturm die Dächer mit Höxterplatten eingedeckt wurden. "Den Wagen, so die Hoxersteine zu der Kirchen gebracht, 33 Maß Bier gegeben". Diese Art der Dachdeckung ist auch auf alten Fotografien noch zu erkennen und wurde erst 1896 durch Zementplatten ersetzt. Das Stroh und auch die Dachziegel müssen also aus einer Zeit vor 1660 stammen.

Betrachten wir die oberen beiden Schichten in direktem Zusammenhang, so ergibt sich eine bessere Erklärung. In früheren Zeiten dichtete man ein mit Ziegeln gedecktes Dach mit sogenannten Strohdocken (zu Büscheln zusammengefaßte Halme) ab, die unter die Pfannen gelegt wurden und zusätzlichen Schutz gegen Wind und Schlagregen bieten sollten. Bei der vorgefundenen Strohlage könnte es sich durchaus um die Überreste derartiger Docken handeln, die dann als Unterlage für die "Mönch-Nonne"-Ziegel gedient hätten. In diesem Falle dürften die Ziegel eine alte Bedeckung der noch einschiffigen Kirche gewesen sein. Bis zum Jahr 1660 befanden sie sich auf dem Dach des Mittelschiffes und wurden dann beim Anbau des Nordschiffes durch Höxterplatten ersetzt. In unseren Gegenden trifft man mit "Mönch-Nonne"-Ziegeln gedeckte Dächer nur noch sehr selten an. Seit dem Ende des Mittelalters trat diese Deckungsart immer mehr in den Hintergrund und wurde schließlich durch wesentlich leichter zu verlegende Dachpfannen abgelöst. Soweit also die Erkenntnisse, die sich aus der Schichtenfolge ablesen lassen.

Die Datierung der einzelnen Perioden hätte sicherlich noch präzisiert werden können durch eine genaue Lokalisierung der vereinzelt vorgefundenen Keramikscherben. Bedauerlicherweise konnte der weitaus größere Teil der Scherben jedoch erst aus den bereits abgeräumten Schuttmassen geborgen werden, so daß eine Zuordnung zu den Schichten nicht mehr möglich war. Ihre Aussagekraft ist aus diesem Grunde natürlich entsprechend gering.

Bei der ältesten vorgefundenen Keramik handelt es sich um das Randstück einer Ofenkachel, wie sie seit der Mitte des 13.Jahrhunderts bis etwa 1400 in Gebrauch war. Derartige Kacheln besaßen eine Form vergleichbar der eines Topfes, bei dem der Boden nach außen gewölbt ist. Sie wurden in die Seitenwände eines Ofens eingelassen, wodurch eine erhebliche Vergrößerung der Oberfläche erreicht wurde. Damit konnte die wirksame Wärmeabstrahlung um ein Vielfaches gesteigert werden. Das Fundstück besitzt eine silbrig glänzende Oberfläche und war dem Augenschein nach nie in Gebrauch, was auf einen Fehlbrand schließen läßt.

Fragment eines Bartmannskruges

Erwähnenswert ist außerdem das Fragment eines Tonkruges, an dessen Tülle das farbige Bild eines bärtigen Männerkopfes plastisch herausgearbeitet wurde. Derartige Krüge, die wegen eben dieses besonderen Merkmales als "Bartmannskrüge" bezeichnet werden, waren vor allem im 16. Jahrhundert in Gebrauch.

Von den restlichen Scherbenfunden stammt der größte Teil aus dem 17. und 18.Jahrhundert.

Eisenmesser mit Horngriff

 

Teil eines Bronzekamms

Neben der Keramik fanden sich im Abraum aber auch einige wenige Metallgegenstände: Das Fragment eines 31 mm breiten Bronzekamms, dessen ursprüngliche Länge nicht mehr zu rekonstruieren ist, sowie ein Eisenmesser von 16,5 cm Länge. Das auffällig kleine und unhandliche Messer ist mit einem Horngriff versehen, der an seinem Ende eine Messingkuppe trägt. Beide Funde konnten bislang nicht datiert werden.

Bielefelder Münze Vorderseite

Bielefelder Münze Rückseite

Als wohl schönste und interessanteste Stücke dürften zwei Silbermünzen gelten, die ebenfalls beim Abräumen der Schuttschichten aufgefunden wurden. Die eine Münze stammt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und wurde in Bielefeld geprägt. Au der Vorderseite zeigt sie das Bild eines Bischofs und die Umschrift: WILH(elm) D(e) MO(n)T(e) CO(mes) RAVE(nsbergiensis), (z. dtsch.: Wilhelm von Berg, Graf von Ravensberg). Die Rückseite trägt das Ravensberger Wappen mit der Umschrift: MONETA NOVA BILIVELT (z. dtsch.: Neue Bielefelder Münze). Graf Wilhelm aus dem Hause Berg regierte von 1402 bis 1428.

Schüsselpfennig aus dem Süddeutschen

Bei der zweiten Münze handelt es sich um einen sogen. Schüssel- oder Hohlpfennig, d. h., sie erhielt ihre Prägung nur von einer Seite. Sie trägt das Bild des Wappen der Wittelsbacher (Löwe und Rauten) und dürfte daher dem süddeutschen Raum zuzuordnen sein. Derartige Pfennige waren hauptsächlich vom 15. bis zum 17. Jahrhundert im Umlauf.

Wir haben nun die fast achthundertjährige Geschichte der Braker Kirche, soweit sie sich rekonstruieren läßt, aufgezeigt. Von ihren Anfängen als kleiner, einschiffiger Bau bis hin zu der heutigen geräumigen Predigtkirche war es ein langer Weg. Zahlreiche Generationen haben ihren Zeitgeist einfließen lassen und so dazu beigetragen, dem Gotteshaus sein unverwechselbareg Gepräge zu verleihen. Was auch immer den Anlaß zu Bautätigkeiten gegeben haben mag, immer stand doch über allem nur ein Gedanke: Eine Stätte zu schaffen und zu erhalten, die die Gemeinde zusammenführen soll, die Gelegenheit gibt zur Besinnung und die Ausdruck ist des Glaubens an das Wort Gottes.


Die Glocken

Von den fünf Glocken, die sich in der Braker Kirche befinden, stammt die älteste noch aus dem Mittelalter. Sie ist aus Bronze gegossen und hat bei einem Durchmesser von einem Meter ein Gewicht von 665 kg. An ihrem oberen Rand trägt sie zwischen zwei Strickbändern als ringsumlaufende Inschrift in gotischen Majuskeln den sogenannten englischen Gruß aus dem Lukas-Evangellum: + GERERE + AVE MARIA GRACIA PLENA DOMINUS TECUM (Gegrüßt seist Du, Maria, voller Gnaden. Der Herr ist mit dir). Die Bedeutung des ersten Wortes ist unklar. Man könnte an den Namen oder eine Abkürzung des Namens der Gießerwerkstatt denken, doch konnte an anderen Glocken eine entsprechende Bezeichnung bislang nicht nachgewiesen werden. Hermann Neubourg gibt in einem Aufsatz über die lippischen Glocken eine andere Erklärung. SeinerAuffassung nach bezeichnet "gerere" im Lateinischen den passiven Imperativ und bedeutet "werde geführt", oder in diesem Falle frei übersetzt: "erklinge". Diese Auslegung hat sicherlich einiges für sich, doch auch hierfür müssten zur eindeutigen Klärung Parallelbeispiele angeführt werden.

Im Gebiet des Landes Lippe sind mehrere Bronzeglocken bekannt, die stilistisch gleiche Merkmale wie die Braker Glocke aufweisen. Die älteste datierte Glocke dieser Art wurde im Jahre 1398 gegossen und hängt im Turm der alten Johanniskirche vor den Toren der Stadt Lemgo. Zwischen zwei Strickbändern trägt sie die Umschrift IEHSUS MARIA JOHANNES AN. DO. MCCCXCVIII, DIE URBANI M. Außerdem zieren den Glockenkörper zwei Kruzifixe. Die Initiale"G" unter einem der Kreuze ist wahrscheinlich das Zeichen des Glockengießers.

In Schlangen befindet sich die zweitälteste datierte Glocke Lippes aus dem Jahre 1412. Auch sie trägt wie die Braker Glocke als Inschrift den Englischen Gruß in gotischen Majuskeln. Am Schluß des Spruches erscheinen die Buchstaben "GH". Auch in diesem Falle ist zu vermuten, daß es sich um das Zeichen der ausführenden Werkstatt handelt. Ebenfalls mit dem Englischen Gruß versehen waren zwei Glocken der Kirche in Bega. Ein an ihnen befindliches Meisterzeichen soll mit dem der Lemgoer Glocke übereingestimmt haben. Beide Glocken wurden 1892 umgegossen.

Ganz ohne Inschrift, aber dennoch vom gleichen Typ, ist die Glocke in Heiligenkirchen. Auch hier finden sich die Strickbänder am oberen Glockenrand sowie ein Kruzifix wie in Schlangen und Lemgo. Man wird davon ausgehen dürfen, daß all diese Glocken aus der gleichen Werkstatt stammen und in etwa zur gleichen Zeit, also um 1400, entstanden sind.

Die Frage nach der Gießerwerkstatt ist schon des öfteren behandelt worden, doch konnte eine eindeutige Zuordnung bisher nicht erfolgen. In Betracht gezogen wird ein Glockengießer namens Grauwic oder Grawick, aus dessen Werkstatt die 1466 gegossene Glocke der Kirche in Heiden stammt. Zwar zeigen ihre Ornamente keine Gemeinsamkeiten mit denen der erwähnten Glocken, dennoch weist sie eine auffällige Besonderheit au£ Am Glockenkörper befinden sich fünf Münzabdrücke, die in der Form eines Kreuzes angeordnet sind. Diese gleiche Anordnung von Münzabdrücken findet sich nun auch an den Glocken von Schlangen und Lemgo. Darüber hinaus könnte man dann in den Initialen "G" bzw. "GH" eine Abkürzung des Namens Grawick sehen. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, so wird man auch die Braker Glocke dieser Werkstatt zuschreiben dürfen.

Die bronzene Betglocke aus der Zeit um 1400

Es ist keineswegs selbstverständlich, daß die Braker Glocke heute noch, oder besser gesagt, heute wieder ihren Platz oben im Kirchturm hat. Um ein Haar wäre sie ein Opfer des Zweiten Weltkrieges geworden und hätte, umgegossen zu Kriegsgerät, ein trauriges Ende gefunden.

Im Jahre 1940 erging an alle Kirchengemeinden des Reiches der Befehl, ihre Bronzeglocken abzugeben, damit sie zu Waffen umgeschmolzen werden konnten. Nach kunstgeschichtlichen und musikalischen Gesichtspunkten wurden die Glocken in Gruppen von A bis D eingeteilt. Die Glocken der Gruppe A wurden sofort eingeschmolzen, während die der Gruppen B und C erst bei Bedarf herangezogen werden sollten. Nur die Glocken der Gruppe D konnten ihres hohen Alters oder ihres besonderen Wertes wegen in den Kirchen verbleiben. Um die Glocken zu kennzeichnen, damit sie, falls sie nicht eingeschmolzen würden, den Kirchen später wieder zugeführt werden konnten, wurden sie mit einem speziellen Zahlenschlüssel versehen. Die Braker Glocke erhielt die Nummer 13/27/8 C (13=Westfalen, 27=Kreis Lemgo, 8=Brake). Im Jahre 1942 war es so weit. Brake mußte Abschied nehmen von der alten Glocke, die mehr als fünf Jahrhunderte überdauert hatte. Die Abgabe ging sang-und klanglos vonstatten, hatte doch der Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten ausdrücklich verordnet: "Besondere Glockenabnahme-Feiern sind zu unterlassen". Sie hätten ja auch Anlaß zum Nachdenken geben können.

Dem Bemühen von Pastor Diestelmeier ist es zu verdanken, daß die Glocke schließlich nach dem Ende des Krieges wieder ihren Weg zurück nach Brake gefunden hat. Er entdeckte sie 1948 auf einem Sammelplatz in Lünen bei Dortmund und gewann sie im Tauschhandel gegen etwas Speck, Eier und Kartoffeln wieder zurück.

Festlich geschmückt und unter großem Jubel der Braker Bevölkerung wurde die Glocke durch die Straßen des Dorfes bis zur Kirche gefahren, wo der Bürgermeister und die Kirchenältesten sie in Empfang nahmen. Nun hängt sie wieder oben im Kirchturm und dient der Gemeinde als Betglocke.

Neben dieser alten Glocke gab es ehemals offenbar noch eine weitere Glocke gleicher Bauart. Diese diente nicht nur zum Läuten, sondem seit dem Einbau einer Uhr im Jahre 1606 erfüllte sie auch die Aufgabe der Uhrglocke. Im Jahre 1727 bildete sich an der Glocke plötzlich ein Riß, durch den ihr Klang derart beeinträchtigt wurde, daß man sich genötigt sah, sie umgießen zu lassen. Schon bald setzte sich Pastor Straube mit dem Glockengießer Fricke in Gütersloh in Verbindung, um über die Anfertigung einer neuen Glocke zu verhandeln. Doch nachdem Fricke den Kostenanschlag vorgelegt hatte, wonach sich die Umgießung auf etwa 100 Taler belaufen hätte, mußte man feststellen, daß die Kirche so viel Geld nicht aufbringen konnte. So blieb nichts anderes übrig, als von dem Vorhaben wieder Abstand zu nehmen und die Glocke in ihrem schlechten Zustand zu belassen.

Am 12. Februar 1791 aber, beim Trauergeläut für den Grafen Wilhelm, bildete sich erneut ein kleiner Riß, der sich am folgenden Tag unter dem Geläut zum Nachmittagsgottesdienst derart vergrößerte, daß er sich über die ganze Glocke erstreckte. Nun half nichts mehr. Die Glocke war nicht mehr zu gebrauchen, und eine Umgießung war unumgänglich geworden. Erneut wandte man sich an die Glockengießerei Fricke und übertrug ihr den Auftrag für die Umgießung. Die neue Glocke trug die Aufschrift: "M.(eister) B.(erendt) H.(enrich) Fricke me fecit (hat mich gemacht) - 1791 - Superintendent Führing". Bei den Metallsammlungen im Ersten Weltkrieg mußte sie abgegeben werden, und mit vielen anderen Glocken des Landes wurde sie zu Kanonen verarbeitet. Beim Bochumer Verein gab die Kirchengemeinde 1922 als Ersatz zwei neue Stahlglocken in Auftrag. Pastor Kuhlmann sagte damals: "Aus Bronze dürfen sie nicht sein, sonst holt man sie uns im Krieg wieder weg!" Schon zwanzig Jahre später sollte sich seine Befürchtung bewahrheiten. Während die Bronzeglocke abgeliefert werden mußte, konnten die Gußstahlglocken als "nicht kriegsverwendungsfähig" hängen bleiben. Der Kaufpreis für die Glocken war 1922 auf 42 200 Mark festgesetzt worden. Doch durch die Inflation stiegen die Preise rasch an. Als die Glocken ein Jahr später geliefert wurden, hatte sich der Preis bereits verdoppelt, so daß die zu zahlende Summe schließlich 84 664 Mark betrug.

Von den beiden Glocken trägt die größere die Aufschrift: "Hier ist unser Pilgrimstand" und die andere: "Droben unser Vaterland".

Neben diesen Glocken befinden sich in der oberen Kuppel des Turmes noch zwei klein Stahlglocken für die Uhr. Sie wurden 1905 von der Firma Korfhage, die auch die Uhr anfertigte, geliefert.

Eine Klanganalyse der drei großen Glocken erbrachte folgendes Resultat:

Material Bronze Stahl Stahl
Durchmesser 1035 mm 1330 mm 1100 mm
Gewicht 665 kg 1040 kg 580 kg
Schlagton G ± 0 F' ± 0 As' + 11/16
Prime --- f' + 6/16 as' - 3/16
Untersekunde F + 1/16 --- ---
kleine Terz b' - 6/16 as' + 1/16 ces' + 6/16
Quarte c'' ± 0 --- ---
Septime --- es'' - 1/16 ges'' + 4/16
Oberoktave g'' ± 0 f'' ± 0 as'' + 11/16
Unterseptime ges° ± 0 g° + 6/16 ces° - 3/16

Aus einer derartigen Klangstruktur der Läuteglocken erkennt der Fachmann, daß sich beim gemeinsamen Anschlag der Stahlglocken erhebliche innenharmonische Querstände ergeben, was zu einem entsprechend eigenwilligen Charakter des Geläutes führt Mit anderen Worten: Der Guß ist nicht ganz einwandfrei gelungen.

An der Botschaft, die die Glocken zu verkünden haben, können aber technische Daten nichts ändern. Immer wieder sollen sie uns daran erinnern, daß das Christentum lebendig ist, daß das Wort Gottes auch oder gerade in unserer Zeit seine Gültigkeit hat. Es liegt in unser aller Hand, dazu beizutragen, daß diese Glocken nie verstummen.


Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen

Literatur

Berkemeier, Johannes: St. Nicolai in Lippstadt, Lippstadt 1974
Boedeker, Anton: Die Nikolaikirche in Lippstadt als Bauwerk des 12.Jahrhunderts. In: "Westfalen" Nr. 22, Münster 1937, S. 198-202
Butterweck, Wilhelm: Die Geschichte der Lippischen Landeskirche, Schötmar 1926 Dreves, August: Geschichte der Kirchen, Pfarren, geistlichen Stiftungen und Geistlichen des Lippischen Landes, Lemgo 1881
Falkmann, A. und Preuß, 0.: Lippische Regesten Bd. 1-4
Fricke, Heinrich: Die Kirche in Brake, in: Lippische Post Nr. 223 vom 23. September 1933
ders.: Wie die Braker Linie erlosch, in: Freie Presse Nr. 224 vom 26. September 1959
Gaul, Otto: Die romanischen Dorfkirchen in Lippe, in: Lippischer Dorfkalender, Detmold 1950, S. 63-69
ders.: Schloß Brake und der Baumeister Hermann Wulff, Lemgo 1967
Hohenschwert, Friedrich: Ur- und frühgeschichtliche Befestigungen, mittelalterliche Burgen, befestigte Städte, Höfe und Landwehren in Lippe, in: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland Bd. 10, Kreis Lippe I, Stuttgart 1985, S. 181-204
ders.: Brake, Turmhügel und mittelalterliche Burg, in: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, Bd. 11, Kreis Lippe II, Stuttgart 1985, S. 58-63
Hüls, Hans: Heiden in Lippe, Detmold 1974
(H .. ?): Chorfenster mit Glasmalerei in der Kirche zu Brake von Gertrud Sonntag, in: Lippische Post Nr. 162 vom 13. Juli 1935
Kittel, Erich: Heimatchronik des Kreises Lippe, 2. Aufl. Köln 1978
Kottmann, Albrecht: Das Geheimnis romanischer Bauten, 2. verb. Aufl. Stuttgart 1981
Lindemann, Gottfried u. Boekhoff, Hermann: Lexikon der Kunststile, 2. Aufl. Braunschweig 1970
Meier, Karl: Graf Augustus zur Lippe-Brake, in: Mitteilungen aus der lippischen Geschichte und Landeskunde Bd. 22, Detmold 1953, S. 5-37
Müller, Wilhelm: Die Nikolaikirche in Lemgo, 11. Sonderheft der Zeitschrift "Westfalen", Münster 1949
Peter, Wilhelm: Lippe - Eine Heimat- und Landeskunde, Detmold 1970
Preuß, Otto: Die baulichen Alterthümer des lippischen Landes, 2. Aufl. Detmold 1881
Rensing, Theodor: Monumenta memoriae, in: "Westfalen" Bd. 36, Heft 1 Münster 1958, S. 78-84
Süvern, Wilhelm: Brake, Lemgo 1960
Thümmler, Hans und Kreft, Herbert: Weserbaukunst im Mittelalter, 2. Aufl., Hameln 1975
Wiehmann, Friedrich: Das Kirchspiel Bega, Lemgo 1961
ders.: Kirchen um den Sternberg, Lemgo 1965
Wehrmann, Volker: Die lippische Landeskirche 1684-1984, Detmold 1984
Wiemann, Heinz: Die Kirche zu Schlangen, Schlangen 1978
Wiesekopsieker, Ernst: Die Glocken des Lipperlandes, Heiden 1966, Manuskr. im Staatsarchiv Dermold