Eine Ansicht des Dorfes Brake aus dem 19. Jahrhundert


Brake um 1860

Ansicht der Braker Kirche mit angrenzenden Häusern

Bei einem Umbau des Wasserbachhofes in den 1980er Jahren wurde vom damaligen Besitzer des Hauses, dem Architekten Horst Höfing, diese kleine Ansicht gefunden und vor der Vernichtung gerettet. Das Bild hat eine Größe von 14 x 8 cm und ist auf eine starke Pappe von 16,7 x 10,4 cm aufgezogen. Es ist als Gouache ausgeführt, also in einer Maltechnik, die dem Aquarell ähnelt, allerdings mit deckenden Farben. Das stark vergilbte und fleckige Blatt zeigt die Braker Kirche von der Westseite und einige Fachwerkhäuser. Es stellt sich nun die Frage, aus welcher Zeit das Bildchen stammt und ob die Darstellung des Dorfes authentisch ist. Eine Signatur oder eine Jahreszahl ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen (mögliche Lesung siehe unten). Daher kann das Alter zunächst nur anhand von Indizien festgestellt werden.

Was ist also auf dem Bild zu sehen? Unschwer zu erkennen ist der Turm der Braker Kirche mit einem Teil des Mittelschiffs. Der Turmhelm ist in seinen Proportionen etwas verunglückt, die 3 typischen Kuppeln sind aber deutlich auszumachen. Rechts von der Kirche, durch eine massive Mauer getrennt, befindet sich hinter dichten Bäumen der Wasserbachhof, ein Fachwerkbau, dessen Firstlinie durch eine markante Ziegeldeckung betont ist. Die zwei Schornsteine sind bei genauerem Hinsehen mit jeweils 4 Kugeln bekrönt. Vor dem Wohnhaus erstreckt sich westlich ein großer, gepflegter Garten. Am rechten Bildrand ist das Nebenhaus des Hofes mit einem Krüppelwalmdach zu sehen (Residenzstr. 18), auf dessen First sich eine Wetterfahne befindet.

Direkt vor der Kirche steht ein Fachwerkhaus, bei dem es sich um den Hof Hartmann (Residenzstr. 12) handelt. An dem charakteristischen Walmdach ist das Pfarrhaus zu erkennen und am linken Bildrand schließlich steht das Wohnhaus des Hoffmeisterschen Hofes an der Braker Mitte (Braker Mitte 3). Auffällig an den Bauten der Höfe Hoffmeister und Hartmann ist, dass beide Dächer offenbar mit einem Strohdach gedeckt sind, während die anderen Häuser rote Ziegeldächer tragen. Deutlich zu erkennen ist dies an der gelben Farbe der Dächer sowie an den für diese Bedeckungsart typischen Verklammerungen am First. Die Strohdächer sind so detailgetreu gezeichnet, dass von einer genauen Wiedergabe des seinerzeit Gesehenen ausgegangen werden muss. Der Standort des Künstlers war in etwa die Ecke Gartenstraße/Lemgoer Straße am Braker Kindergarten.

Auf welche Zeit ist die Ansicht nun zu datieren? Zunächst fällt auf, dass die Kirche noch ohne das südliche Seitenschiff dargestellt ist. Da es im Jahr 1896 errichtet wurde, muss die Ansicht also vor 1896 gemalt worden sein. Weiterhin ist bekannt, dass das Wohnhaus des Hoffmeisterhofes an der Braker Mitte 3 im Jahr 1864 vom damaligen Besitzer Weeke abgebrochen wurde und durch den noch heute stehenden klassizistischen Bau ersetzt wurde. Damit muss die Entstehungszeit der Bildes noch vor 1864 liegen.

Brake um 1860 - Rückseite

Kaschierung auf der Rückseite des Bildes

Schließlich gibt es ein weiteres Indiz, mit dem die Ansicht noch genauer zu datieren ist. Die Rückseite der Pappe ist mit einem Blatt kaschiert, bei dem es sich um die Verlagsankündigung zu verschiedenen Büchern handelt. Diese Bücher sind genau zu identifizieren: Zum einen geht es um den Roman Sebastopol. Historisch-politischer Roman aus der Gegenwart von Hermann Goedsche, sowie um das zweibändige Werk Preußens Scepter und Schwert. Romantische Gemälde aus der Geschichte des preußischen Herrscherhauses von Hugo Forster. Beide Bücher wurden im Jahr 1856 im Berliner Verlag Carl Röhring veröffentlicht.

Damit ist die Entstehungszeit des Bildes auf die Jahre zwischen 1856 und 1864 eingegrenzt.

Brake um 1860 - Signatur

Schwer erkennbare Signatur unter dem Bild

Rechts unterhalb des Bildes auf der Pappe ist in ausreichender Vergrößerung eine Signatur zu erkennen, die mit etwas gutem Willen als B. Ewerbeck zu lesen ist. Dahinter lässt sich noch eine Jahreszahl vermuten, die jedoch auch unter UV-Licht nicht mehr zu entziffern ist. Bernhard Ewerbeck (1828 - 1919) lebte zur damaligen Zeit im Wasserbachhof und gründete 1864 die Braker Thonwarenfabrik.

Kulturgeschichtlich interessant ist die Tatsache, dass offenbar noch um 1860 strohgedeckte Dächer zum Ortsbild gehörten, obwohl aufgrund einer Landesverordnung die Strohdeckung bereits seit 1782 wegen erhöhter Brandgefahr für Neubauten verboten war und durch Ziegeldeckung abgelöst werden sollte. So besitzen die Häuser mit Strohdeckung, Hartmann und Hoffmeister, auch keinen Schornstein, da der Rauchabzug des offenen Feuers über das in der Spitze des Giebeldreiecks ausgesparte sogenannte "Eulenloch" erfolgte.