Der ausgegangene Ort Holzhausen

Hinweis: Die folgende Darstellung ist äußerst hypothetisch und stützt sich auf nur wenige Indizien.

Die Holsterbrücke

Die Holsterbrücke um 1920

Holzhausen in den Urkunden

An der Grenze zwischen Brake und Lemgo befindet sich zum Übergang der Bega die Holsterbrücke. In älteren Urkunden wird sie noch die "Holzhauser Brücke" genannt. Sie befindet sich am Fuß des "Holzhauser Bergs", dem heutigen Holsterberg. Diese Bezeichnungen finden sich in mindestens vier von einander unabhängigen Quellen.

1. Im Hauptregisterbuch von 1450-1520 des Lemgoer Klosters St. Marien lesen wir "De teghede to deme Byberghe, de gheyt an an Albertes der Cruzen Garden unde ghifft uns VI d. unde dat molenlant, also man gheit osten ut deme Huse to Brac wert unde vort, so men wel gan to de Holthuserbruggen, vortmer alle dat land, dat beneden deme pade licht ..." (→ Übersetzung).
und an anderer Stelle:
De teghede to Bodingtorpe, de gheyt an van der Holthuserbruggen unde van der Luttiken Bulten an, also man gheyt to deme Blomberghe wert unde gheyt heyn to dem syke wart beneden der groten Lynden ..." (→ Übersetzung).

2. Eine weitere Quelle ist ein Protokoll des Lemgoer Gografen bei St. Johann, Cord Mestmeker, aus dem Jahre 1446. Er beurkundet, dass der Lemgoer Bürger Johann Barchusen und seine Frau Geseke einen Tausch vereinbart haben. Sie haben die Wachsgabe für die Altarbeleuchtung auf ihr Weichbildgut übertragen, eine Wiese, genannt "die Padwiese" hinter dem großen Bieberg, wo man den Steig nach Dinglinghausen geht und 4 Stücke Land gegen Brake hin diesseits der Dornenhecke, wo man zur Holzhauser Brücke geht und wo zwei Stücke neben der Reket der Kirche zu Brake gehören.

3. Aus der Lippischen Amtsstube hören wir zu dem gleichen Vorgang im Jahr 1527:
Der verstorbene Johann Barckhußen habe jährlich 8 Pfund Wachsrente verschrieben. Sie war zu liefern aus der Patwiese und vier Stücken Saatland auf Brake zu, wenn man zur Holthußer Brücke geht.

Schließlich existiert das Protokoll eines Schnatganges des Lemgoer Stadtrats von 1651:
"[...] wie man auß der Osterpforten hinauß nacher der Holzhauser Brügken gangen befunden, daß für der Holtzhauser Brügken ein Grabe [...] uffgegraben [...] und wie man also ferner den Holtzhauser Bergk hinauff gezogen [...]".

Es liegen damit aus der Zeit vom 15. bis zum 17. Jahrhundert also mindestens vier unterschiedliche Quellen vor, von denen wenigsten drei von einander unabhängig sind und die alle die Holsterbrücke als "Holzhauser Brücke" bezeichnen. Den vier Urhebern der Quellen - dem Kloster St. Marien, dem Gografen von St. Johann, dem Lippischen Grafenhaus und dem Lemgoer Stadtrat - muß daher dieser Name geläufig gewesen sein und es ist daher anzunehmen, dass er im allgemeinen Gebrauch war.


Mögliche Siedlungsplätze

Nun lässt der Name Holzhauser Brücke bzw. Holzhauser Berg eine Siedlung Holzhausen vermuten, die sich in der Nähe der Brücke und des Berges befunden haben muß. Außer durch die genannten Indizien lässt sich eine solche Siedlung allerdings nicht mehr nachweisen. Urkunden und Akten liefern bislang keinen konkreten Hinweis auf diese untergegangene Ortschaft. Sehen wir uns daher zunächst an, wo ein solcher Ort überhaupt generell vorstellbar wäre.

Ein erstes wichtiges Kriterium für die Lage der Siedlung ist, dass sie an hochwasserfreier Stelle angelegt gewesen sein muss. Das Begatal bietet an dieser Stelle nicht viele Möglichkeiten. Der Biberg im Norden und der Holsterberg im Süden engen das Tal der Bega hier außerordentlich stark ein. Östlich davon, in Richtung Voßheide, breiten sich weite Talauen aus, die für eine Siedlung kaum geeignet erscheinen, da sie das Überschwemmungsgebiet der Bega bilden. Der nächste Ort, Papierenbentrup, liegt etwa 2 km entfernt und nutzt eine kleine Anhöhe, um einen vor Hochwasser sicheren Standort zu gewährleisten. Die zu Bega gerichteten Hänge des Holsterberges und der sich anschließenden Bülte sind zu steil, um hier eine Siedlung anzulegen. Lediglich die Ausläufer des Biberges wären geeignet, einen sicheren Platz zum Siedeln zu bieten. Hier finden wir die zu Lemgo gehörige Walkenmühle.

Könnte hier, an der Stelle der Walkenmühle ehemals ein Dorf gelegen haben, von dem die Mühle einen letzten Überrest darstellt? Hätte die Siedlung an dieser Stelle gelegen, kämen für die Lage der Feldflur nur die Hänge des Bibergs in Frage. Das in der Talaue der Bega liegende Gelände scheidet aus den oben genannten Gründen zur Beackerung aus. Nun gibt es zwar tatsächlich am Biberg ein Zehntgebiet, das zum "Biberger Zehnt" zusammen gefasst war und zur Lemgoer Kirche St. Johann gehörte, doch findet sich in keiner Zehntbeschreibung ein Hinweis auf einen ausgegangenen Ort. Auch eine grundlegende Neustrukturierung des Gebietes, die zu einem Verschwinden des Ortsnamen geführt haben könnte, lässt sich nicht nachweisen. Die älteste Erwähnung der Walkenmühle stammt aus dem Jahr 1335, doch auch hier findet ein Ort Holzhausen keine Erwähnung. Die Mühle wird lediglich als "am Biberg belegen" bezeichnet. Zudem träfe die Bezeichnung "Holzhauser Berg" für diesen Fall eher für den Biberg zu, als für einen Berg jenseits der Bega.

Die Tatsache, dass der Holsterberg auf Braker Gebiet liegt und die Holsterbrücke über einen Hohlweg direkt nach Brake führt, weist vielmehr auf eine andere Möglichkeit hin: die Siedlung Holzhausen lag im Bereich des heutigen Dorfes Brake und ist mit seiner Feldflur in der Braker Gemarkung aufgegangen.

Holzhausen - Brake

Das Dorf Brake gliedert sich in seinem ältesten Bestand in zwei deutlich unterscheidbare Siedlungskerne. Der Bereich des Niedernhofes, am Zusammenfluss der beiden Bäche Ostersiek und Untreu, weist eine sehr kleinteilige Struktur mit vielen Hofstätten und geringem Hofraum auf. Die an dieser Stelle sehr enge Bachtalung des Ostersieks wird im Norden vom Holsterberg und im Süden von den Ausläufern des Grasweghügels mit dem Pfarrhof begrenzt.
Der zweite Siedlungskern liegt innerhalb eines Ovals zwischen Residenz-, Bach- und Wiembecker Straße. Als Urbestand sind hier die beiden Höfe Lipsmeier und Blattgerste zu nennen. Die Höfe liegen hier in leichter Hanglage entlang der Untreu. Die Entfernung zwischen beiden Siedlungskernen beträgt etwa 300 Meter.
Das Vorhandensein zweier so deutlich unterscheidbarer Kerne in Brake deutet stark auf eine Entstehung hin, die unhabhängig von einander erfolgte. Direkt am Niedernhof befindet sich westlich des Graswegs eine alte Ackerflur, die als "Breite" bezeichnet wird. Normalerweise gehören die Breiten zu den ältesten Ackerfluren einer Ortschaft, worauf schon die unmittelbare Ortsnähe hinweist. In Brake war diese Flur jedoch noch 1643 nicht im Besitz der Braker Höfe, sondern wurde vom Grafenhaus bewirtschaftet. Erst nach dem 30-jährigen Krieg wurde die Fläche aufgeteilt und an die Braker Stätten vergeben.
Auch das Gebiet östlich des Graswegs ist erst relativ spät an die Braker Stätten gelangt. Eine Aufteilung und Vergabe ist hier seit etwa 1560 nachweisbar. Auch dieses Gebiet wurde bis dahin ausschließlich von der gräflichen Domäne bewirtschaftet. Wir finden also eine Ackerflur in bester ortsnaher Lage vor, die nicht von den Dorfbewohnern genutzt wurde.

Das Land nördlich des Niedernhofes am Hang des Holsterberges war im Jahr 1643 zu ca. 90% in der Hand von Braker Stätten, die ab 1560 gegründet worden sind. Hieraus lässt sich schließen, dass bei Gründung der Stätten um 1560 dieses Land aufgeteilt wurde und den Neugründungen zugeschlagen wurde. Auch hier kommt als vorheriger Nutzer nur die gräfliche Domäne in Frage.

Eine weitere Ackerflur in unmittelbarer Ortsnähe ist die "Bülte" westlich des Niedernhofes. Sie befand sich ebenfalls in der Hand des Grafen und ist um 1660 zu Gartenland für die Braker Bevölkerung umgewandelt worden.

Fassen wir die bisherigen Punkte zusammen, so lässt sich sagen, dass ein Großteil der sich in unmittelbarer Ortsnähe befindenden Ackerflur ursprünglich nicht von den Braker Stätten genutzt wurde, sondern die Bewirtschaftung vom gräflichen Haus erfolgte. Ab ca. 1560 wurde das Land aufgeteilt und an die Braker Stätten vergeben. Erst nach dem 30-jährigen Krieg war dieser Prozess abgeschlossen.

In der Leibzuchtsverschreibung des Grafen Simon von 1403 zugunsten seiner Ehefrau Ermgard von Hoya werden die zur Burg Brake gehörigen Besitzungen genannt, u.a.: "... dat Dorp to Brak, de Hove to Brak, den nederen und den overen Hoff to Brak unde ol de Wese de dor to hored ...". Es wird also ausdrücklich unterschieden zwischen dem oberen und niederen Hof und dem Dorf zu Brake. Hier zeigt sich, dass Brake auf der einen und Oberer und Niederer Hof auf der anderen Seite als klar getrennte Einheiten angesehen wurden.
Diese Unterscheidung finden wir auch indirekt in dem Namen eines Bewohners, der auf dem Hof Lipsmeier wohnte. Ab 1523 wird als Besitzer "Arndt im Dorppe" genannt. Wie aus späteren Schatzregistern ab 1535 hervorgeht, hieß er eigentlich Arndt Ekermann. Er hat den Namen "im Dorppe" also wohl erst in Brake erhalten. Ab 1590 wird Ernst Eikermann an seiner Stelle genannt, der aber 1605 wieder "Ernst im Dorff" heißt. Wir haben hier also einen Siedler vor uns, der ausdrücklich als "im Dorf wohnend" bezeichnet wird. Diese Titulierung macht aber nur dann Sinn, wenn es auch einen Siedlungsbereich gab, der außerhalb des eigentlichen Dorfes lag. Nach allem bisher gesagten kann solch ein Gebiet nur mit dem Niederen/Oberen Hof gleichgesetzt werden.

Setzt man eine ausgegangene Siedlung Holzhausen voraus (nochmal: was sonst nicht belegt ist), so ist es am plausibelsten, den Überrest der Siedlung im Niederen bzw. Oberen Hof zu sehen. Die zugehörige Ackerflur befand sich auf der Bülte, an den Südhängen des Holsterberges, sowie zu beiden Seiten des Graswegs. Im 16. Jahrhundert wurde die Bewirtschaftung des Hofes aufgegeben. Der Niedere Hof wurde mit neuen Hofstätten aufgesiedelt, auf den Oberen Hof zog der Braker Pfarrer (→ Das Pfarrhaus) und die Ländereien wurden im Verlauf von ca. 100 Jahren unter die Braker Bevölkerung verteilt.

Nachtrag

Zu erwähnen ist noch eine Notiz des Schötmeraner Amtmanns Anton Küster in einer Schrift von 1751 mit dem Titel: "Von dem wahren Ursprunge, Wachstum, gegenwärtigen Zustande und der Beschaffenheit derer Amtsmeier und Sattelfreien in der Edlen Grafschaft Lippe.":
[...] Dieses Hagengerichte ist am Ende des 16ten und im Anfange des vorigen seculi hier im Lande noch an verschiedenen Orthen gehalten worden, und im Schwange gewesen als z.B. im Ambte Brake zur Wiembecke und Holßen /: welches letztere Dorf eingegangen, und theils zur Lemgowischen Feld-Marck, theils zum Dorf Brake gezogen :/ zu Hagen-Donop, im Amte Blomberg. Im Krentrupper-Hagen, im Örlinghausischen, und auf der Kicksmühlen, in der Oberwüsten im Ambte Schöttmar. [...]

In seinem Aufsatz "Vogelhorst" erwähnt Otto Weerth in einer Auflistung von Ländereien u.a. die Holthuser Hove (Lippische Mitteilungen, Bd.6, 1908, S.4). Aus dem Zusammenhang lässt sich erkennen, dass sich dieses Landstück östlich von Lemgo befunden haben muss, da weitere Ackerstücke am Bieberg, an der Hasenbrede, am Bürgersiek und am Holsterberg genannt werden. Leider gibt Weerth keine Quelle an, aus der vielleicht eine genauere Lagebestimmung der Holzhauser Hufe möglich wäre.