Am 30. März 1306 verkauft der Lippische Edelherr Simon I. die Zehntabgaben der Ortschaften Bist (westlich von Lemgo) und Brake (Brac) dem gerade gegründeten Lemgoer Kloster St. Marien. Damit wird der Ort Brake zum ersten Mal in der Geschichte urkundlich erwähnt. Doch seine Gründung ist sicherlich mehr als hundert Jahre früher anzusetzen. Unter welchen Bedingungen ist der Ort gegründet worden und wer war der Gründer?
Um das Jahr 1150 brannte in Heiligenkirchen ein Hof ab, der dem Edelherren Hermann I. zur Lippe gehörte. Es war sein Eigentum und nicht etwa Lehnsbesitz. Anstatt das Haus an gleicher Stelle wieder aufzubauen, geschah nun etwas, das zunächst unerklärlich erscheint: Hermann erhielt vom Paderborner Bischof als Ersatz einen Hof in der Ortschaft Ripen bei Lemgo. Ripen ist eine verschwundener Ort östlich von Lemgo, an den noch der Rieper Berg und der Rieper Turmhof erinnern. Was hat aber der Paderborner Bischof mit dem Eigentum Hermanns zu tun und warum zeigt sich so offenkundlich großzügig? Eine Erklärung findet sich, wenn man bedenkt, daß Paderborn in Heiligenkirchen bereits über umfangreichen Besitz verfügte. Hier befand sich ein Haupthof und offenbar hatte der Bischhof vor, seinen Heiligenkirchener Besitz auszubauen. Da kam ihm der Umstand, daß ein Hof abgebrannt war, gerade recht. Die Hofstelle ließ sich doch für eigene Zwecke nutzen, man mußte dem Eigentümer nur eine akzeptable Alternative bieten. So übertrug Paderborn dem Lipper einen seiner Höfe weiter nördlich im Lemgoer Gebiet. Aber warum ausgerechnet in Riepen? Wir befinden uns im Jahre 1160 und die Stadt Lemgo ist noch gar nicht gegründet. An ihrer Stelle liegt aber, soweit wir heute wissen, bereits eine kleine Ansiedlung und vor allem: es führt eine Handelsstraße von Hameln kommend vorbei an Riepen durch die Siedlung Lemgo in Richtung Herford. In Lemgo befindet sich wahrscheinlich bereits zu dieser Zeit eine Raststätte und es ist zu vermuten, daß auch schon Handel getrieben wurde. Mit dem Handel aber kommt Geld ins Land. Und Geld bedeutet zugleich auch Macht. Wer also den Handel kontrolliert, kann auch seinen Einfluß beträchtlich vergrößern. Diese Gedanken mögen dem Bischof durch den Kopf gegangen sein, als er Hermann den Hof in der Nähe des Handelsplatzes übertrug.
Um die Kaufleute vor Ort zu halten und den Handel auszubauen, war der sicherste Weg, zugleich aber auch der aufwendigste, der, eine Stadt zu gründen. Aber so einfach, wie sich dies anhört, war es natürlich nicht. Zum einen war es schon ein gewaltiges Projekt, das auf viele Jahre hin ausgerichtet war, zum andern konnte ein solches Vorhaben ja nicht in rechtsfreiem Gebiet erfolgen. Gerade im Raum um Lemgo stießen mehrere Einflußbereiche zusammen. An erster Stelle ist die Abtei Herford zu nennen.
Damit Paderborn sich zwischen diesen Herrschaftsbereichen behaupten konnte, brauchte es schon einen starken Mann. Mit Hermann I. und vor allem seinem Nachfolger Bernhard II. hatte man hier einen sicheren Griff getan. Die Lipper waren in der Lage, die Interessen Paderborns durchzusetzen. Und das in so einem Maße, daß es später zur Bildung eines geschlossenen Territoriums, des späteren Landes Lippe kam. Doch noch saß Hermann auf seinem Hof in Riepen. Von hier aus ließ sich allerdings nicht allzu viel ausrichten. Um auch optisch zu zeigen, wer hier zukünftig die Herrschaft ausüben wird, brauchte es eines deutlichen Zeichens. So wurde unweit der geplanten Stadt eine befestigte Anlage an der Bega errichtet. Den Ergebnissen der Ausgrabungen zufolge handelte es sich zunächst um eine Turmhügelburg, die aus einem aufgeschütteten Hügel im Tal der Bega lag und mit einem hölzernen Turm bestanden war. Bereits kurze Zeit später wurde sie beträchtlich ausgebaut und mit einer steinernen Mauer umgeben. Damit war sie verteidigungsfähig und der Grundstock für die weitere Entwicklung war gelegt. Doch was hat das alles mit dem Dorf Brake zu tun? Es scheint, als hätte Brake eine entscheidende Rolle bei der Stadtgründung Lemgos gespielt.
Ein markantes Kennzeichen von Kaufmannssiedlungen sind häufig Kirchen, die dem Hl. Nikolaus geweiht sind. Das ist auch in Lemgo so. Im Zentrum der Stadt steht direkt am Marktplatz die Nikolaikirche. Da Lemgo die einzige bedeutende mittelalterliche Handelsstadt in Lippe ist, ist auch die Lemgoer Nikolaikirche die einzige in Lippe. Es gibt jedoch eine bedeutsame Ausnahme: auch Brake besitzt eine Nikolaikirche. Wie ist die unmittelbare Nähe dieser beiden einzigen Nikolaikirchen in Lippe zu erklären, insbesondere dann, wenn man den Ursprung von Nikolaikirchen durch eine Kaufmannschaft voraussetzt?
Rufen wir uns noch einmal die Ausgangslage in Erinnerung. An einer überregionalen Handelsstraße liegt eine offene Kaufmannssiedlung. Bernhard II. plant, an diese Siedlung anzuknüpfen und eine Stadt zu gründen. Es bieten sich nun für die folgenden Maßnahmen prinzipiell zwei Szenarien an:
Betrachten wir, wie die beiden Alternativen zu bewerten sind:
Die erste Version bereitet eine Reihe von Schwierigkeiten. So lässt sich in Brake kein Anzeichen
für den Plan einer Stadt erkennen. Da eine Stadtgründung in Brake nur aus "wilder Wurzel" erfolgen
konnte, sollte zumindest ansatzweise das typische Strassenraster und die Parzelleneinteilung
einer Gründungsstadt zu erkennen sein. Zudem verlaufen die alten Handelsstrassen in gebührendem
Abstand an Brake vorbei.
Das zweite Szenario scheint zunächst den großen Nachteil zu haben, daß ja immerhin mit großem
Aufwand ein Kirchenbau errichtet werden musste, von dem bereits bei der Erbauung feststand, daß er
nur für eine gewisse Übergangszeit sinnvoll war. Doch darf diese Maßnahme nicht isoliert betrachtet
werden. Den alleinigen Sinn der Kirche darin zu sehen, die Kaufleute für die Zeit der Stadtgründung
vor Ort zu halten, wäre in der Tat reichlich gewagt. Doch die Gründung der Stadt Lemgo war nicht
das einzige Projekt, das in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts in Angriff genommen wurde.
Südlich und östlich von Brake entstanden in jener Zeit eine Reihe neuer Siedlungen, sogenannte
Hagensiedlungen.
Im einzelnen waren dies Wahmbeck, Wiembeck und Hasebeck, später kam noch
Maßbruch hinzu.
Diese Neugründungen wurden zum "Wiembecker Hagen" zusammengefasst. Ebenfalls dazu gezählt wurde der Hof
Hummerntrup, dessen Ursprung jedoch wesentlich weiter zurückreicht.
Die Gründung des Wiembecker Hagens geht vielleicht bereits auf eine Initiative des Paderborner Bischofs zurück. Zweifellos waren aber bald die Lippischen Edelherren im Besitz des Hagens. Er wurde im Jahre 1403 zur Ausstattung der Burg Brake gezählt. Aus diesem Hagen gehörten die Dörfer Wiembeck und Hasebeck zum Pfarrsprengel der Braker Kirche, während Wahmbeck zur Lemgoer Kirche St. Johann eingepfarrt war. Ebenfalls zu St. Johann gehörten die weiteren Dörfer im Umkreis, die jedoch fast alle älteren Ursprungs sind: Schöllentrup, Papierenbentrup, Dinglinghausen, Vogelhorst, Kluckkof (früher Oetinghausen) und Lütte (Hagensiedlung der Abtei Herford).
Wenn wir also die Gründung der Brake Kirche betrachten, müssen wir zugleich berücksichtigen, daß der Lippische Edelherr gerade dabei war, einen Herrschaftbereich aufzubauen. Er errichtete die Burg Brake, gründete oder übernahm von Paderborn mehrer Dörfer und musste zugleich den Kaufleuten in Lemgo einen Platz zur Verfügung stellen, den sie für die Zeit der Stadtgründung nutzen konnten. Als dies mag dazu geführt haben, daß Bernhard II. an dieser Stelle eine Nikolaikirche erbauen ließ.
Brake ist nie ein typisches Bauerndorf gewesen. Die Höfe waren im Vergleich zu anderen lippischen Dörfern sehr klein, die Anzahl der Höfe sehr gering. In den Schatzregistern des 15. und frühen 16. Jahrhunderts werden maximal fünf Höfe erwähnt, von denen die zwei größten eine Wirtschaftskraft hatten, die einem kleinen bis mittleren Hof im übrigen Lippe entsprach. Wohl schon Beginn an war Brake auch ein Ort, in dem sich gräfliche Beamte der nahegelegenen Burg niederließen.
Holzhausen um 1000 Brake um 1190 Erweiterungen bis 1500 Neugründungen um 1560 |
(wird fortgesetzt)